Sportvereine können sich nicht auf die Steuerfreiheit für Dienstleistungen im Bereich Sport nach Gemeinschaftsrecht berufen. Die eng gefasste Steuerbefreiung nach deutschem Recht verstößt nichtgegen EU-Recht. Das hat der BFH entschieden und ist damit der Vorgabe des EuGHs gefolgt. Obwohldas Urteil über die Fachpresse hinaus für Schlagzeilen sorgte, bringt es für Sportvereine keine wesentlichen Änderungen. Erfahren Sie, warum das so ist und wie Sportvereine aktuell umsatzsteuerlich behandelt werden.
Im konkreten Fall ging es um einen Golfverein, der eine Reihe von Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbrachte. Dabei handelte es sich um die Berechtigung zur Nutzung des Golfplatzes (Greenfee),die Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining mit Ballautomaten, die Durchführung vonGolfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Verein Startgelder erhielt, die mietweise Überlassung von Caddys und um den Verkauf eines Golfschlägers.
Nach Auffassung des Finanzamts waren diese gesondert vergütete – also zusätzlich zum Mitgliedsbeitrag bezahlten – Leistungen umsatzsteuerpflichtig. Ein Teil der Leistungen hätte zwar nach § 4 Nr. 22bUStG steuerfrei sein können. Der Golfverein war aber nicht als gemeinnützig anerkannt, was nachdieser Regelung Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist.
Der BFH hatte die Sache dem EuGH vorgelegt, der den Streitfall bereits mit Urteil vom 10.12.2020entschieden hatte. Sein Urteilstenor: Die gegenüber der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe starkeingeschränkte Steuerbefreiung im deutschen Recht ist gemeinschaftsrecht-konform (EuGH, Urteil vom 10.12.2020, (Rs. C-488/18 – Golfclub Schloss Igling). Der BFH hat jetzt seine Nachfolgeentscheidung verkündet. Er folgt darin der EuGH-Vorgabe (BFH, Urteil vom 21.04.2022, Az. V R 48/20).
Um die Entscheidung einordnen zu können, lohnt zunächst ein Blick auf die Befreiungsregelungen:
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze vonder Steuer:
Bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben.
Die entsprechende Regelung im deutschen Umsatzsteuerrecht findet sich in § 4 Nr. 22b UStG.Umsatzsteuerfrei sind demnach:
andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.
Nach der deutschen Regelung sind also nur Sportveranstaltungen befreit. Nach der MwStSystRL dagegen alle Dienstleistungen, die in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehen.
Die frühere Rechtsauffassung dazu war, dass sich Sportvereine auf Gemeinschaftsrecht berufenkonnten, weil die nationale Vorschrift deren Vorgaben nicht ausreichend umgesetzt hatte. Diese Auffassung hat der BFH jetzt geändert. Allerdings nach MwStSystRL „Einrichtungen ohne Gewinnstreben“ befreit. Die deutsche Regelung ist insoweit nicht unionsrechtskonform, weil sie die Befreiung auf als gemeinnützige anerkannte Vereine beschränkt. Der BFH hat jetzt klargestellt, dass auch nicht gemeinnützige Sportvereine begünstigt sein können, wenn ihre Satzung die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der MwStSystRL werden – so der EuGH – nur „bestimmte“ Dienstleistungen befreit. Festzulegen, welche das sind, fällt in die Zuständigkeit der nationalen Gesetzgeber. Die Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, allgemein alle Dienstleistungen von der Steuer zu befreien, die in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehen. Dass die deutsche Regelung des § 4 Nr. 22b UStG die Steuerbefreiung auf die Teilnahmegebühren bei sportlichen Veranstaltungen beschränkt, ist also europarechtskonform. Sportvereine können sich nicht auf die weiter gefasste Regelung der MwStSystRL berufen.Mit seiner Übernahme der EuGH-Entscheidung rückt der BFH damit von seiner bisherigen Rechtsprechung ab (BFH, Urteil vom 03.04.2008, Az. VR 74/07; Urteil vom 02.03.2011, Az. XI R 21/09; Urteil vom 16.10.2013, Az. XI R 34/11 und Urteil vom 20.03.2014, Az. V R 4/13).
Unter sportlichen Veranstaltungen sind nach der laufenden Rechtsprechung des BFH die organisatorischen Maßnahmen eines Vereins zu verstehen, die es sowohl Mitgliedern als auch Nichtmitgliedern ermöglichen, Sport und Training zu betreiben (BFH, Urteil vom 25.07.1996, Az. V R 7/95). Dazu gehören vor allem
Die Teilnahme von Publikum ist nicht erforderlich. Es ist nicht schädlich, wenn sich ausschließlich Vereinsmitglieder betätigen. Eine bestimmte Organisationsform oder Organisationsstruktur ist nichtVoraussetzung. So kann auch ein Training eine sportliche Veranstaltung sein. Es muss sich auch nicht um eine eigene Veranstaltung des Vereins handeln. Eine sportliche Veranstaltung kann auch vorliegen, wenn ein Sportverein im Rahmen einer anderen Veranstaltung eine sportliche Darbietung präsentiert (BFH, Urteil vom 04.05.1994, Az. XI R 109/90). Das gilt z. B. auch für Schauauftritte im Rahmen einer kommerziellen Veranstaltung.
Eine sportliche Veranstaltung liegt bereits dann vor, wenn der Verein einen allgemeinen organisatorischen Rahmen für die Sportausübung liefert. Das muss nicht unbedingt eine komplexe Organisationsleistung sein. Schon zeitliche Vorgaben und die Gesamtaufsicht über die Einhaltung der erforderlichen Abläufe und Sicherheitsmaßnahmen genügen, wenn mehrere Sportler gleichzeitig den Sport ausüben.
Sportvereine haben hier also in gewissem Umfang einen steuerlichen Gestaltungsspielraum. Statt Plätze, Hallen oder Sportgeräte ohne zusätzliche Leistungen an die Sportler zu überlassen, könnten sie einen „organisatorischen Rahmen“ stellen. Das wäre der Fall, wenn Übungsleiter die Nutzung beaufsichtigen, punktuell Hinweise geben etc. Es hängt natürlich von den einzelnen Sportarten ab, inwieweit sich das organisatorisch umsetzen lässt.
Praxistipp: Es spielt für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22b UStG keine Rolle, ob die Sporttreibenden Mitglieder sind.
Nicht mehr umsatzsteuerbefreit sind alle Leistungen von Sportvereinen, die die Anforderungen aneine sportliche Veranstaltung nicht erfüllen. Das sind insbesondere
Dass diese Leistungen umsatzsteuerpflichtig sind, muss für den Sportverein kein grundsätzlicherNachteil sein. Sie fallen nämlich in den Zweckbetrieb, wenn sie an Mitglieder erbracht werden. DerSteuersatz liegt dann nur bei sieben Prozent. Die Mitglieder werden dadurch also finanziell nur vergleichsweise wenig belastet.Zugleich ist für den Verein aber der Vorsteuerabzug aus allen Kosten möglich, die mit diesen Leistungenverbunden sind. Die Umsatzbesteuerung führt hier also zwar zu einem Verwaltungsmehraufwand,aber in der Regel zu keiner Mehrbelastung. Vielfach führt der Vorsteuerabzug – bei gleichen Bruttopreisen – oft sogar zu höheren Erträgen.Sinnvoll ist es in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob der Verein auch die Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer unterwirft. Nach den Vorgaben der Rechtsprechung ist das problemlos möglich. Damitwären in der Regel alle Kosten des Sportbetriebs vorsteuerabzugsfähig, die sich nicht auf die steuerbefreiten sportlichen Veranstaltungen nach § 4 Nr. 22b UStG beziehen.
Praxistipp: Meist muss dann eine Aufteilung der Eingangsumsätze vorgenommen werden.
Die Entscheidung des BFH betrifft unmittelbar nur Leistungen, die Sportvereine gegen gesonderteVergütung erbringen. Die Finanzverwaltung bleibt nämlich bei ihrer Auffassung, dass sog. echte Mitgliedsbeiträge umsatzsteuerfrei sind. Das war auch im Streitfall so. Das Finanzamt sah die Mitgliedsbeiträge nicht als Vergütung für steuerbare Leistungen an. Der BFH hat hier (wie schon in früheren Entscheidungen) aber darauf hingewiesen, dass das rechtlich nicht korrekt ist.Für Revisionsverfahren gilt aber das sog. Verböserungsverbot. Über die Frage, ob auch die Mitgliedsbeiträge steuerpflichtig waren, durfte der BFH deswegen nicht entscheiden, weil sie nicht Gegenstand der Klage war.
Das Urteil zeigt auch, dass die Finanzverwaltung bei ihrer bisherigen Auffassung zur Umsatzbesteuerung von Mitgliedsbeiträgen bleibt. Der UStAE (Abschnitt 1.4) trifft dazu folgende Unterscheidung:
Dreh- und Angelpunkt der Unterscheidung ist also: Werden die Zahlungen nach Inanspruchnahme derLeistung gestaffelt, liegt ein unechter Beitrag vor. In dem Fall erbringt der Verein seinen Mitgliederngegenüber konkrete Einzelleistungen, deren Nutzen dem einzelnen Mitglied zugutekommt.
Erfolgen die Zahlungen ohne Rücksicht auf den Umfang der erhaltenen Leistung und ihrer wirklichen Nutzung, handelt es sich um echte Mitgliedsbeiträge, die damit kein Leistungsentgelt sind. Mit den Zahlungen werden die Kosten der satzungsmäßigen Leistungen an alle Mitglieder finanziert.
Dieser Rechtsauffassung zur Umsatzsteuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen hat der BFH mit seinen Urteilen vom 09.08.2007 (Az. V R 27/04) und 11.10.2007 (Az. V R 69/06) klar widersprochen. Die Finanzverwaltung hat darauf nicht reagiert. Es ist offensichtlich politisch gewollt, Mitgliedsbeiträge nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen, auch wenn das zu fragwürdigen rechtlichen Konstruktionen führt.Wichtig: Für die steuerliche Behandlung der Mitgliedsbeiträge hat die Rechtsauffassung des BFH und EuGH deshalb keine direkten Folgen. Da die Rechtsprechungsvorgaben von der Finanzverwaltung nicht umgesetzt werden, gelten grundsätzlich weiter die bisherigen Regelungen. Vereine können sich aber auf die Rechtsprechung berufen, wenn sie Umsatzsteuer auf ihre Beiträge erheben wollen. Das ist in der Regel nur dann sinnvoll, wenn im Gegenzug der Vorsteuerabzug genutzt werden soll – meist in Zusammenhang mit dem Bau großer Anlagen.
Die Lösung für diese abweichenden Auffassungen von Rechtsprechung und Finanzverwaltung wäreeine Änderung des § 4 Nr. 22b UStG, die diese Vorschrift an den Rahmen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der MwStSystRL anpasst. Dann wären die Leistungen der Sportvereine umfänglich von der Umsatzsteuer befreit – egal ob sie an Mitglieder oder Dritte erbracht werden. Das hat der BFH in seiner Pressemitteilung (Nr. 020/22 vom 12.05.2022) zu dem Urteil auch klargestellt.
Der BFH hat noch zur Frage Stellung genommen, ob die Beschränkung der Steuerbefreiung des § 4Nr. 22b UStG auf gemeinnützige Einrichtungen unionsrechtskonform ist. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst.m der MwStSystRL gilt die Befreiung nämlich für „Einrichtungen ohne Gewinnstreben“, Gemeinnützigkeit ist nicht gefordert.
Der EuGH hatte zuvor klargestellt, dass der Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben ein autonomer unionsrechtlicher Begriff ist (EuGH, Urteil vom 10.12.2020, Rs. C-488/18). Der deutsche Gesetzgeber kann hier also keine Vorgaben machen. Insbesondere kann er eine Umsatzsteuerbefreiung nicht an die Gemeinnützigkeit i. S. v. §§ 51 ff. AO knüpfen.Eine Einrichtung ohne Gewinnstreben liegt aber nur vor, wenn dies aus der Satzung hervorgeht. Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift dürfen demnach keine systematische Gewinnerzielung anstreben und dürfen Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht verteilen. Sie müssen sie zur Erhaltung oderVerbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwenden.
Das Verbot von Gewinnausschüttungen gilt nicht nur für die Zeit, in der die Einrichtung besteht. Ausgeschlossen sein muss also auch, dass das vorhandene Vermögen auf die Mitglieder aufgeteilt wird,wenn die Gesellschaft aufgelöst wird (EuGH, Urteil vom 10.12.2020, Rs. C-488/18). Diese Auffassunghat der BFH bestätigt. Er hat dem nicht gemeinnützigen Verein aber die Bezugnahme auf die MwStSystRL verboten. Das lag daran, dass die Satzung keine Regelung zum Vermögensanfall enthielt. Einesolche Bindung des Vermögens über das Bestehen der Organisation hinaus ist aber Voraussetzung füreine „Einrichtung ohne Gewinnstreben“.
Wichtig: Als „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL kann daher nur eine Einrichtung eingestuft werden, deren Vermögen fortwährend der Verwirklichung ihres Zwecks dient und nach ihrer Auflösung nicht auf ihre Mitglieder übertragen werden kann, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder und den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigt. Nicht erforderlich ist aber nach den Vorgaben des EuGHs, dass die Mittel ausschließlich für die Satzungszwecke verwendet werden. Zudem müssen anders als im deutschen Gemeinnützigkeitsrecht keine bestimmten vorgegebenen Zwecke verfolgt werden.
Quelle: IWW Verlag
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