Fremdgeschäftsführer durch unzulässige Beschränkung nicht automatisch Arbeitnehmer

16/03/2023

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einem Dienstverhältnis durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer steht der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Eine Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, kommt aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 8.02.2022) allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht.

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG)

Im nunmehr vom Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf mit Urteil vom 5.10.2022 entschiedenen Fall war zwischen der beklagten GmbH und ihrem Geschäftsführer die Beendigung des Geschäftsführer-Anstellungsverhältnisses durch eine außerordentliche, fristlose Kündigung der GmbH streitig und in diesem Zusammenhang vorab auch die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten.

Der „Geschäftsführer-Dienstvertrag“ enthielt u.a. folgende Regelungen: „Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Der Geschäftsführer ist gesamtvertretungsberechtigt gemeinsam mit einem Prokuristen. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist der Geschäftsführer nicht befreit.“ Das LAG hat im vorliegenden Fall – auch in Ansehung der vorstehenden Vertretungsregelung – den Arbeitnehmerstatus des Geschäftsführers abgelehnt, mithin die Unzulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten festgestellt. Nach Ansicht des ALG habe die Einordnung des Vertragsverhältnisses der Parteien ergeben, dass der Kläger als Fremdgeschäftsführer im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses und nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für die Beklagte tätig geworden ist, weshalb keine Fachzuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet werde.

Die Regelung in einem Geschäftsführerdienstvertrag zu einer unechten Gesamtvertretung dahingehend, dass der alleinige Geschäftsführer einer GmbH lediglich gesamtvertretungsberechtigt zusammen mit einem Prokuristen ist, stellt zwar gesellschaftsrechtlich eine unzulässige Beschränkung der organschaftlichen Vertretungsmacht dar. Wenngleich damit zugleich eine atypische Regelung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages vorliegt, macht dies den Fremdgeschäftsführer nicht per se zum Arbeitnehmer.

Eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, kommt allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Dies würde voraussetzen, dass die Gesellschaft eine – über ihr gesellschaftliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann. Ein derartiger Ausnahmefall habe im vorliegenden Fall nicht vorgelegen.

Praxishinweis:
Die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts ist für den GmbH-Geschäftsführer nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Geschäftsführer (in etwa) zeitgleich als organschaftlicher Vertreter abberufen wird und tatsächlich eine weisungsgebundene Tätigkeit als Arbeitnehmer vorliegt. Oder wenn der Erfolg der Klage von der Arbeitnehmereigenschaft abhängt, z.B. weil streitentscheidende Normen aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) oder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz herangezogen werden (sog. sic-non-Fall). Stützt die Klage jedoch – wie im vorliegenden Urteilsfall – auf § 626 BGB, liegt gerade kein sic-non-Fall vor, da § 626 BGB auf außerordentliche Kündigungen sowohl für Arbeits- als auch freie Dienstverhältnisse Anwendung findet.

Wenngleich der Weg zum Arbeitsgericht bei der Beurteilung von Beendigungsszenarien attraktiv erscheint (schnelle Terminierung der Güteverhandlung, überschaubare Kostenlast, da jede Partei in erster Instanz die Anwaltskosten unabhängig vom Prozessausgang trägt, viel Erfahrung der Arbeitsrichter), ist stets im Einzelfall genau zu prüfen, ob der Arbeitsrechtsweg eindeutig eröffnet ist (andernfalls nachteilige Zeitverzögerung und zusätzliche Kostenlast durch Verweisung an das zuständige Gericht).

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