Kein Verlust des Erbrechts durch Eingehung einer neuen Partnerschaft

20/03/2023

Bei der Errichtung eines Testaments wird häufig das Eintreten von Demenz und Pflegebedürftigkeit nicht bedacht. So hatte in einem vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg am 26.09.2022 entschiedenen Fall der Erblasser im Jahr 2005 testamentarisch seinen Lebenspartner und seine Tochter als Erben eingesetzt. 2016 kam der Erblasser wegen weit fortgeschrittener Demenz in ein Pflegeheim. Sein Lebenspartner heiratete 2020 einen neuen Partner. Ein halbes Jahr später verstarb der Erblasser. Der ehemalige Lebenspartner beantragte einen Erbschein. Die Tochter des Erblassers widersprach und focht das Testament an. Sie meinte, hätte der Erblasser gewusst, dass sein Lebenspartner sich noch zu seinen Lebzeiten einem neuen Mann zuwendet und diesen heiratet, hätte er das Testament geändert und ihn nicht mehr zum Erben bestimmt.

OLG geht von „hypothetischem Willen“ aus

Die Tochter hatte vor Gericht keinen Erfolg. Zwar war der Erblasser bei Abfassung des Testaments von einer Fortdauer der Lebensgemeinschaft ausgegangen. Nach der Rechtsprechung ist ein solches Testament auch grundsätzlich unwirksam, wenn die zugrundeliegende Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht. Eine Ausnahme gilt aber, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser das Testament auch für diesen Fall so gewollt hätte (sog. „hypothetischer Wille“). Eine solche Ausnahme lag hier nach Ansicht des OLG vor: Denn der o. g. Fall, in dem eine Demenz die Fortführung einer Lebensgemeinschaft faktisch unmöglich machte, ist anders zu beurteilen als der Fall, in dem sich die Partner auseinanderleben oder einer der beiden sich aus der Beziehung heraus in schuldhafter Weise einem neuen Partner zuwendet. Vorliegend konnte die Lebensgemeinschaft aber lediglich infolge der Demenz nicht in der bisherigen Weise fortgeführt werden.

Diese Entscheidung ist durchaus kritisch zu betrachten: Für einen hypothetischen „Fortbestandswillen“ findet sich im konkreten Testament kein Ansatzpunkt. Zur Auslegung des Gerichts kommt man letztlich nur, wenn man dem Erblasser den hypothetischen Willen unterstellt, dass er für den Fall seiner Demenz und einer damit verbundenen Beendigung des Zusammenlebens dem Partner eine zusätzliche praktizierte Lebensgemeinschaft, vorliegend sogar in Form einer Ehe, gestattet hätte. Die Akzeptanz einer Lebensgemeinschaft mit Trauschein neben einer Lebensgemeinschaft ohne Trauschein für den Fall der Demenz eines Beteiligten dürfte jedenfalls überwiegend nicht dem Willen eines kranken Erblassers entsprechen.

Angesichts der vorliegenden Entscheidung ist jedenfalls dringend zu empfehlen, letztwillige Verfügungen von der auflösenden Bedingung der Eingehung einer Ehe mit einer dritten Person abhängig zu machen.

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