Verschärfung bei der Wegzugsbesteuerung

25/11/2021

Cornelia Barnbrook (cornelia.barnbrook@ber-auren.de), Steuerberaterin und Fachberaterin für internationales Steuerrecht. Mitglied des Auren-Teams Global Taxperts – unsere Experten für grenzüberschreitende Steuerfragen

Handlungsbedarf bis zum Jahresende

Am 1. Januar 2022 treten erhebliche Verschärfungen bei der Wegzugsbesteuerung in Kraft. Eine der wesentlichsten Veränderungen ist der Wegfall der Stundungsmöglichkeit in EU/EWR Fällen. Dieser Beitrag zeigt auf, welche Handlungsoptionen bis 31.12.2021 in Fällen des schon geplanten Wegzuges und bei mehreren Wohnsitzen bestehen.

Was steckt dahinter?

Die Wegzugsbesteuerung greift u.a. für Privatpersonen, die Anteile an Kapitalgesellschaften mit mehr als 1% im Privatvermögen halten und mindestens 10 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Die Wegzugsbesteuerung im Sinne des § 6 AStG dient dazu, die Besteuerung von stillen Reserven in den Gesellschaftsanteilen quasi in der letzten Sekunde des Wegzugs, bevor Deutschland das Besteuerungsrecht verliert, zu sichern.
Es gibt es weitere Tatbestände, die die Wegzugsbesteuerung Gemäß § 6 AStG auslösen können. Hier soll es nur um den Tatbestand des Wegzuges im Sinne des § 6 (1) Nr. 1 AStG gehen. Wird der Wohnsitz ins Ausland verlagert und verliert Deutschland das Besteuerungsrecht, greift eine fiktive Besteuerung der stillen Reserven im Sinne des § 17 ESTG, als wäre der Anteil zum gemeinen Wert verkauft worden. Es kommt damit faktisch zu einer Steuerbelastung, ohne dass tatsächlich Liquidität durch einen Verkauf zufließt.
Bisher konnte bei Wegzug in einen EUR/EWR Staat die Wegzugssteuer endlos gestundet werden. Für Wegzugsfälle ab dem 1.1.2022 entfällt die bisherige Unterscheidung zwischen Wegzug ins Drittland und EU/EWR und mit ihr die Stundungsmöglichkeit. Als Ersatz für die Stundung gibt es künftig nur noch die Ratenzahlung, die Steuer kann auf Antrag in sieben gleichen Jahresraten entrichtet werden, sofern eine Sicherheitsleistung geleistet wird.

Für wen besteht Handlungsbedarf?

  1. Personen, die eine Verlagerung des Wohnsitzes in einen EU/EWR Staat bereits ins Auge gefasst haben
    Empfehlung:
    Realisieren Sie zügig den Umzug bis zum 31.12.2021 und geben Sie Ihren Wohnsitz in Deutschland tatsächlich auf. Damit kommen Sie noch in den Genuss der Altregelung. Die Wegzugsteuer entsteht zwar, kann aber unbefristet zinslos gestundet werden und stellt somit keine tatsächliche Belastung dar. Erst im Zeitpunkt eines späteren Verkaufes der Anteile wird die Steuer fällig.
  1. Personen, die mehrere Wohnsitze in der EU/EWR haben
    Wer weitere Wohnsitze in anderen Ländern unterhält, ist möglicherweise auch in anderen Ländern unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Für diese Personen besteht die Gefahr, dass Deutschland das Besteuerungsrecht an den Anteilen zum Beispiel durch allmähliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes verliert, ohne dass die unbeschränkte Steuerpflicht endet. Hier lauert eine böse Überraschung, denn es kann zu einer unbewussten und ungeplanten Auslösung der Wegzugsbesteuerung kommen. Passiert dies ab dem Jahr 2022, freut sich das Finanzamt und treibt die Wegzugsteuer ein.

    Empfehlung: Schaffen Sie bis zum 31.12.2021 eine klare und eindeutige Rechtslage. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:
    • Aufgabe des Deutschen Wohnsitzes noch im Jahr 2021. Damit greift die Wegzugsbesteuerung im Jahr 2021, Deutschland verliert das Besteuerungsrecht an den Anteilen an der Kapitalgesellschaft zugunsten eines anderen Mitgliedstaates der EU/EWR. Die Steuer kann unbegrenzt gestundet werden.
    • Stärkung der Position des deutschen Wohnsitzes, so dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen ab dem 1.1.2022 eindeutig in Deutschland zu sehen ist.

      Unter Beibehaltung der bisherigen persönlichen Lebensverhältnisse wird es in Zukunft schwierig werden, die Gefahr der Wegzugsbesteuerung zu vermeiden. Kurzfristig nicht zu empfehlen aber dennoch mittelfristig überlegenswert sind gesellschaftsrechtliche Gestaltungen zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung.  Folgende Gestaltungen können einen Ausweg aus der Wegzugsbesteuerung darstellen:
      – Übertragung der Anteile auf eine Deutsche Familienstiftung
      – Übertragung der Anteile im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge
      – Formwechsel der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft
      Alle Gestaltungen zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung sind in der der Praxis mit anderen Vermögensnachteilen verbunden, Vor- und Nachteile müssen gut gegeneinander abgewogen werden.

Fazit

Wenn Sie zu der Personengruppe gehören, für die dringender Handlungsbedarf besteht, sollten Sie nach Rücksprache mit Ihrem steuerlichen Berater umgehend die o.g. Maßnahmen ergreifen. Wenn Sie bereits in anderen Ländern steuerpflichtig sind, nehmen Sie bitte auch die dortigen Steuerberater mit ins Boot, damit die beteiligten Berater eine optimale globale Steuerstrategie für Sie erarbeiten können.

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