Ausgangslage

Bei einem Betriebsübergang tritt der Erwerber nach § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem neuerlichen Urteil klargestellt: „Liegt der rechtlichen Beziehung zwischen Organ (Geschäftsführer) und Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis zugrunde, geht bei einem Betriebsübergang zwar das Arbeitsverhältnis, nicht aber die Organstellung auf den Erwerber über.“ Damit ist ein Geschäftsführer, der (noch) Arbeitnehmer ist, vor einer betriebsübergangsbedingten Kündigung geschützt; zugleich kann er aus § 613a BGB aber keinen Anspruch auf erneute Bestellung zum Organ des Erwerbers herleiten.

Sachverhalt in Kürze

Der Kläger war über viele Jahre als Angestellter beschäftigt und wurde später zum Geschäftsführer bestellt, ohne dass ein separater Geschäftsführerdienstvertrag abgeschlossen wurde. Sein Arbeitsvertrag wurde lediglich angepasst und fortgeführt. Nach Insolvenzeröffnung des Arbeitgeberunternehmens kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis; am Folgetag legte der Kläger sein Geschäftsführeramt nieder und verlangte, als Arbeitnehmer weiterbeschäftigt zu werden, weil sein Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf den Erwerber übergegangen sei. Während das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm die Klage abwies, hob das BAG die Entscheidung auf und verwies zurück, damit geprüft wird, ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorlag. Das BAG entschied jedoch verbindlich zugunsten des Geschäftsführers, dass – sofern ein Betriebsübergang vorlag – sein Arbeitsverhältnis übergegangen war.

Rechtlicher Hintergrund: Trennung von Organstellung und Anstellungsverhältnis

Zivil- und gesellschaftsrechtlich gilt der Trennungsgrundsatz: Die Organstellung des Geschäftsführers (Bestellung und Abberufung) ist strikt vom schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Beides sind rechtlich selbständige Verhältnisse mit jeweils eigenem „Schicksal“. Die Organstellung beruht auf dem Bestellungsakt, nicht auf dem Arbeits- oder Dienstvertrag. Umgekehrt verleiht ein Arbeitsvertrag keine Organstellung. Diese Trennung ist der Schlüssel zur Entscheidung: Nur das Arbeitsverhältnis unterfällt § 613a Abs. 1 BGB; die Organstellung geht nicht „automatisch“ mit über.

Kernaussagen des BAG zur Anwendbarkeit von § 613a BGB

Das BAG hat eine teleologische Reduktion des § 613a BGB für Organmitglieder abgelehnt. Nach Wortlaut, Systematik und Zweck gilt § 613a BGB für alle Arbeitnehmer. Ob jemand zugleich Organ ist, ändert daran nichts, sofern der rechtlichen Beziehung ein Arbeitsvertrag zugrunde liegt. Eine planwidrige Regelungslücke besteht nicht. Konsequenz: Geht ein Betrieb (oder Betriebsteil) über, wechseln die aus dem Arbeitsvertrag resultierenden Rechte und Pflichten zum Erwerber; die Organstellung bleibt zurück und erlischt oder ist gegebenenfalls gesondert zu regeln. Ein Anspruch auf Bestellung zum Geschäftsführer beim Erwerber lässt sich aus § 613a BGB nicht ableiten.

Kündigungsschutz: § 14 Abs. 1 KSchG vs. § 613a Abs. 4 BGB

Für die Frage des allgemeinen Kündigungsschutzes ist maßgeblich, ob der Betroffene im Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch Organ war. § 14 Abs. 1 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nimmt Organmitglieder vom Anwendungsbereich des KSchG aus. Legt der Geschäftsführer sein Amt erst nach Zugang der Kündigung nieder, greift der allgemeine Kündigungsschutz nicht ein. Daneben gilt aber § 613a Abs. 4 BGB: Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist unwirksam. Dieser spezielle Schutz steht auch einem Geschäftsführer mit Arbeitsvertrag zu, selbst wenn der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG aufgrund der Organstellung im Kündigungszeitpunkt ausgeschlossen ist. Damit entsteht ein zweistufiges Bild: Kein allgemeiner Kündigungsschutz als Organ im Kündigungszeitpunkt, aber Unwirksamkeit einer kündigungsbedingten Reaktion auf den Übergang nach § 613a Abs. 4 BGB.

Beschäftigungsanspruch nach dem Übergang: Inhalt und Grenzen

Stellt das Tatsachengericht das Vorliegen eines Betriebsübergangs fest, folgt daraus kein Anspruch auf Organstellung beim Erwerber. Der (frühere) Geschäftsführer hat vielmehr nur Anspruch auf Beschäftigung entsprechend den Tätigkeiten, die er auf Grundlage seines Arbeitsvertrags erbracht hat. Praktisch bedeutet das: Er kann – unter Weisungsrecht der neuen Geschäftsführung – in Funktionen eingesetzt werden, die inhaltlich an seine bisherigen Aufgaben anknüpfen, ohne die Organstellung zu tangieren. Soll er künftig andere oder nachgeordnete Tätigkeiten übernehmen, bedarf es einer vertraglichen Grundlage: entweder einer klaren Regelung im Arbeitsvertrag für den Fall des Wegfalls der Organstellung oder einer einvernehmlichen Vertragsänderung bzw. Änderungskündigung. Ohne solche Regelungen drohen Reibungen zwischen tatsächlicher Unternehmensleitung und arbeitsvertraglich geschuldetem Aufgabenprofil.

Praxishinweise

Vertragsgestaltung: Arbeitsvertrag oder Geschäftsführerdienstvertrag?

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung sauberer Vertragsgestaltung: Ein Geschäftsführer sollte grundsätzlich auf Basis eines Geschäftsführerdienstvertrags tätig werden. Wird ein bisheriger Arbeitnehmer zum Geschäftsführer befördert, sollte der alte Arbeitsvertrag ausdrücklich aufgehoben und durch einen Dienstvertrag ersetzt werden. Unterbleibt dies, kann der Arbeitsvertrag fortbestehen oder „wieder aufleben“ – mit der Folge, dass beim Betriebsübergang ein Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergeht, selbst wenn die Organstellung endet. Für Käufer eines Betriebs bedeutet das ein relevantes Personal- und Kostenrisiko: Das „alte Management“ kann als Arbeitnehmer erhalten bleiben und ist entsprechend zu beschäftigen bzw. abzufinden.

Due Diligence und Risikosteuerung beim Unternehmenskauf

Erwerber sollten im Rahmen der arbeitsrechtlichen Due Diligence die Vertragsgrundlage der Geschäftsführung genau prüfen: Liegt ein Dienstvertrag vor, der mit Abberufung endet oder ausläuft? Oder existiert – neben oder statt dessen – ein Arbeitsvertrag, der nie aufgehoben wurde? Sind Regelungen für den Fall des Wegfalls der Organstellung enthalten (Rückfallklauseln, Versetzungsklauseln, Aufgabenprofile, Vergütungsanpassung)? Diese Punkte entscheiden darüber, ob beim Übergang Belegschaftsmitglieder mit Führungsprofil weiterzubeschäftigen sind und welche Kündigungs- und Anpassungsspielräume bestehen. Unternehmen, die die Geschäftsführung austauschen wollen, sollten rechtzeitig klare vertragliche Pfade schaffen, um Nachwirkungen eines Arbeitsvertrags zu vermeiden.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Unternehmen, die Geschäftsführer bestellen, sollten vertraglich eindeutig arbeiten: Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags; gleichzeitige schriftliche Aufhebung etwaiger Vor-Arbeitsverträge; Dokumentation der Verhandlungen. Wird ausnahmsweise die Geschäftsführertätigkeit auf Basis eines Arbeitsvertrags erbracht, sollten präzise Regelungen vorsehen, welche Tätigkeit nach Ende der Organstellung geschuldet ist, und Versetzungs- bzw. Änderungsklauseln rechtssicher ausgestalten. Bei Transaktionen ist arbeitsvertraglich abzusichern, dass keine unbeabsichtigten Beschäftigungsansprüche in leitungsnahen Funktionen entstehen. Gleiches gilt für die Vergütung: Anpassungsklauseln müssen AGB-fest und transparenzgerecht formuliert sein.

Handlungsempfehlungen für Geschäftsführer

Geschäftsführer sollten prüfen, welcher Vertrag ihre Tätigkeit trägt. Liegt nur ein Arbeitsvertrag vor oder wurde der frühere Arbeitsvertrag bei Bestellung nicht aufgehoben, bestehen im Falle eines Betriebsübergangs gute Argumente für einen Übergang des Arbeitsverhältnisses. Das kann Beschäftigungs- und Zahlungsansprüche begründen, nicht aber einen Anspruch auf erneute Bestellung zum Organ. Bei Kündigungen ist entscheidend, wann das Amt niedergelegt wurde; erfolgt die Niederlegung nach Zugang der Kündigung, greift der allgemeine Kündigungsschutz des KSchG nicht – wohl aber der Sonderkündigungsschutz des § 613a Abs. 4 BGB gegen betriebsübergangsbedingte Kündigungen. Empfehlenswert ist es, Ziel- und Aufgabenprofile, Weisungsrechte und Vergütungsbestandteile schriftlich abzusichern und im Konfliktfall fristwahrend zu klagen.

Fazit

Das Urteil des BAG bestätigt und schärft die arbeits- und gesellschaftsrechtliche Trennung: Arbeitsverhältnis ja – Organstellung nein beim Betriebsübergang eines Geschäftsführer-Arbeitnehmers. Für Unternehmen bedeutet das erhöhte Sorgfalt bei der Vertragsgestaltung und Transaktionsprüfung; für Geschäftsführer eröffnet es Schutzmechanismen und Beschäftigungsansprüche aus § 613a BGB, ohne einen Anspruch auf Organstellung beim Erwerber zu begründen. Wer klare, dokumentierte Verträge schließt – Dienstvertrag statt fortwirkendem Arbeitsvertrag, eindeutige Klauseln für den Fall der Abberufung, rechtssichere Anpassungsmechanismen –, minimiert Streit- und Kostenrisiken. Im Zweifel empfiehlt sich eine frühe rechtliche Beratung, um die Weichen vor Bestellung, Abberufung oder Transaktion richtig zu stellen und die jeweils intendierte Rollen- und Rechtslage belastbar zu fixieren.