Darlehen von Gesellschaftern dienen oft der kurzfristigen Stabilisierung einer Gesellschaft in Krisenzeiten. Wenn damit tatsächlich die Insolvenzantragspflicht abgewendet werden soll, muss ein sogenannter qualifizierter Rangrücktritt vereinbart werden.
Auch wenn dies gelingt, hat die Einstufung als Gesellschafterdarlehen weitreichende Folgen, da diese automatisch in der Insolvenz als nachrangig gelten und Rückzahlungen im Jahr vor einem Insolvenzantrag anfechtbar sein können. Wir erläutern den qualifizierten Rangrücktritt und die insolvenzrechtlichen Risiken von Gesellschafterdarlehen.

Gesellschafterdarlehen in der Krise: Hohe Risiken bei Insolvenz

Viele mittelständische Unternehmen verdanken ihre kurzfristige Überlebensfähigkeit der Bereitschaft ihrer Gesellschafter, in der Krise einzuspringen. In der Praxis erfolgt dies oft durch die Bereitstellung frischer Liquidität in Form eines Darlehens oder durch das bloße Stehenlassen offener Forderungen, also die faktische Stundung bereits bestehender Forderungen gegen die Gesellschaft.

Diese Form der Selbsthilfe ist nachvollziehbar und oft betriebswirtschaftlich vernünftig. Sie birgt allerdings erhebliche insolvenzrechtliche Gefahren. Die rechtlichen Regeln zur Behandlung solcher Darlehen im Insolvenzfall sind eindeutig und strikt – und führen im Regelfall zum Totalausfall der Forderung, falls es zur Insolvenz kommt.

Der qualifizierte Rangrücktritt im Fall der Überschuldung

Damit ein Gesellschafterdarlehen die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung (§§ 15b, 19 Insolvenzordnung) entfallen lässt, muss ein qualifizierter Rangrücktritt vereinbart werden.
Ein qualifizierter Rangrücktritt ist ein Instrument, um die rechnerische Überschuldung zu vermeiden. Vereinbart der Gesellschafter mit der Gesellschaft, dass sein Rückzahlungsanspruch nur nachrangig und nur bei Zahlungsfähigkeit und ohne Eintritt der Überschuldung bedient werden darf, wird dieser Anspruch in der Überschuldungsbilanz nicht als Passivposten berücksichtigt.

Nachrangig von Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz

Ob qualifizierter Rangrücktritt oder nicht, im eröffneten Insolvenzverfahren haben Forderungen von Gesellschaftern, die auf Rückzahlung eines Darlehens gerichtet sind, eine gesetzlich festgelegte „letzte Position“. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO handelt es sich um nachrangige Insolvenzforderungen.

Eine besonders weitreichende Folge: Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag können vom Insolvenzverwalter rückgefordert werden. Das betrifft:

  • Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO): Diese sind anfechtbar, wenn sie innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag erfolgen – ganz unabhängig von Kenntnis oder Benachteiligungsabsicht.
  • Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO): Werden Sicherheiten innerhalb von zehn Jahren vor dem Antrag bestellt, sind auch sie anfechtbar.

Hierfür gibt es rechtlich keine Lösung oder Umgehungsmöglichkeit. Der Gesellschafter muss damit rechnen, die Zahlung im Insolvenzfall vollständig zurückerstatten zu müssen – ein vollständiger wirtschaftlicher Ausfall ist die Regel.

Was ist ein Gesellschafterdarlehen?

Gesellschafterdarlehen sind im Kern alle finanziellen Leistungen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft zur Verfügung stellt. Dabei kommt es nicht allein auf die Bezeichnung im Vertrag an, sondern auf die wirtschaftliche Funktion der Leistung. Ein Gesellschafterdarlehen liegt daher regelmäßig vor bei:

  • klassischen Darlehensverträgen, bei denen der Gesellschafter der Gesellschaft Geld überlässt, verbunden mit Rückzahlungsverpflichtung und ggf. Verzinsung;
  • stehen gelassenen Forderungen aus früheren Lieferungen und Leistungen, wenn der Gesellschafter – ohne rechtliche Schritte – die Durchsetzung längere Zeit unterlässt;
  • Verrechnungskonten oder Gesellschafterkonten, auf denen Beträge gebucht werden, die nicht kurzfristig ausgeglichen werden und damit dauerhaft in der Gesellschaft verbleiben.

Die Rechtsprechung geht ab einer faktischen Stundung von mehr als drei Monaten regelmäßig von einer darlehensähnlichen Finanzierung aus. Maßgeblich ist die Finanzierungsfunktion – also ob die Gesellschaft mit dem Betrag wirtschaften kann, obwohl er eigentlich zur Zahlung fällig wäre.

Wer gilt als Gesellschafter?

Die Rechtsprechung dehnt den Begriff des Gesellschafters über die rein gesellschaftsrechtliche direkte Beteiligung hinaus aus. Wer über eine andere Gesellschaft beteiligt ist oder an beiden Gesellschaften auch nur über Ecken beteiligt ist, wird in die Vorschrift einbezogen, solange er auf die Darlehensvergabe bestimmenden Einfluss nehmen kann. Dabei wird auch anders gelagerter bestimmenden Einfluss einbezogen, selbst wenn keine direkte Gesellschafterstellung vorliegt.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Gesellschafterdarlehen sind ein bewährtes Mittel zur Krisenfinanzierung – aber stellen gleichzeitig ein Risiko dar. Selbst bei gutem Willen und sorgfältiger Dokumentation stehen im Insolvenzfall Nachrangigkeit und Rückforderungen. Wer weitere, eigene Mittel investieren will, sollte das insolvenzrechtliche Regelwerk kennen und möglichst genau planen, damit das Gesellschafterdarlehen nicht sinnlos ist. Die Chancen, im Insolvenzfall noch etwas zurückzubekommen, sind äußerst gering.

Daher empfehlen wir, möglichst vor der Stellung eines Gesellschafterdarlehens eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Wir können Ihnen helfen, bereits im Vorfeld Ihre Handlungsoptionen zu überprüfen und Ihnen die möglichen Konsequenzen aufzuzeigen.

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Oscar Silcher, Rechtsanwalt bei Auren Deutschland in Stuttgart, im Büro

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