Kündigung wegen Tankkartenmissbrauch

Die private Nutzung einer Tankkarte entgegen den Regelungen einer Dienstwagenrichtlinie kann eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.
Tankkartenmissbrauch durch Mitarbeiter – Streit um die Wirksamkeit der Kündigung
Im dieser Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien um die wirksame Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund außerordentlicher Kündigung des beklagten Arbeitgebers:
Einem Vertriebsmitarbeiter wurde vom Arbeitgeber ein Dienstwagen (BMW 320 d Touring) für Kundenbesuche zur Verfügung gestellt, den er aufgrund Anordnung in der Dienstwagenrichtlinie bei Dienstreisen einzusetzen verpflichtet war, aber auch privat nutzen durfte. Entsprechend der Dienstwagenrichtlinie trug der Arbeitgeber u.a. die Leasingkosten, die Versicherung und die laufenden Betriebskosten (Kraftstoff, Öl) sowie die Reinigungskosten für den Dienstwagen. Im Zusammenhang mit der Fahrzeugübergabe händigte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter zum Betanken des Dienstwagens Tankkarten aus. Der Mitarbeiter verwendete die Tankkarten zur Betankung seines Dienstwagens, daneben betankte er aber auch mindestens 38-mal seine Privatfahrzeuge. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich.
Der Mitarbeiter hielt die Kündigung dagegen für unwirksam und gab vor, ihm wäre nicht bekannt gewesen, dass er die Tankkarten ausschließlich zur Betankung des Dienstwagens und nicht auch seiner angeblich ebenfalls für Dienstreisen genutzten Privatfahrzeuge (Porsche 911 Cabrio und VW Tuareg), deren Einsatz ihm angemessener vorkam, benutzen durfte.
Vor Gericht hatte der Mitarbeiter zwar zunächst Erfolg: das erstinstanzlich angerufene Arbeitsgericht (ArbG) stellte wegen fehlender Abmahnung einen Verstoß gegen das Ultima-Ratio-Prinzip fest und gab dem Mitarbeiter Recht.
LAG bestätigt außerordentliche Kündigung wegen schwerwiegender Pflichtverletzung
Das LAG entschied indes in der Berufung zugunsten des Arbeitgebers und stellte – entgegen der Vorinstanz – fest, dass die außerordentliche Kündigung im vorliegenden Fall gerechtfertigt war.
Nach Auffassung des LAG ist der Mitarbeiter nicht berechtigt gewesen, die Tankkarten für die Betankung seiner Privatfahrzeuge zu nutzen. Die Dienstwagenrichtlinie gab die Verpflichtung des Mitarbeiters, bei Dienstreisen nur den Dienstwagen einzusetzen, eindeutig vor und stellte damit auch für den Mitarbeiter erkennbar klar, dass die Nutzung der Tankkarte eindeutig nur für Dienstfahrzeuge und allein für die Erledigung der arbeitsvertraglichen Pflichten erlaubt sein sollte. Eine davon abweichende Abrede existierte nicht.
Das LAG ging daher davon aus, dass dies dem Mitarbeiter auch bewusst gewesen sein muss und er bewusst die Tankkarten entgegen der ihm eingeräumten Befugnisse einsetzte. Die pauschale Behauptung des Mitarbeiters, er hat seine Privatwagen auch für dienstliche Zwecke eingesetzt und diese deshalb mit den dienstlichen Tankkarten betankt, ist nicht ausreichend.
Aus dem Nicht-Beanstanden seines Vorgehens durch den Arbeitgeber über mehrere Jahre konnte der Mitarbeiter eine Duldung seines Verhaltens ableiten, zumal er die Tankbelege nicht bei der Geschäftsführung oder Personalleitung einreichte, sondern lediglich bei der Buchhaltung.
Der Mitarbeiter hat mit dem Einsatz der Tankkarten für seine Privatfahrzeuge weisungs- und pflichtwidrig gehandelt. Indem er die Tankbelege beim Arbeitgeber einreichte, ohne darauf hinzuweisen, dass sich darunter Abrechnungen für private Tankvorgänge befanden und somit vorgab, die Tankkarten nur im Rahmen des Vereinbarten eingesetzt zu haben, hat er den Arbeitgeber getäuscht. Die Kostenerstattung durch den Arbeitgeber hat dessen Vermögen geschädigt. Das Verhalten des Mitarbeiters ist mit einem Spesenbetrug vergleichbar. Jeder einzelne Pflichtenverstoß, zumindest aber die Gesamtheit der Verstöße stellt einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB dar. Derartige Unkorrektheiten sind selbst dann geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und einen geringen Betrag handelt.
Die außerordentliche Kündigung verstößt auch nicht gegen das Ultima-Ratio-Prinzip. Es liegt eine schwerwiegende Pflichtverletzung vor, deren Rechtswidrigkeit für den Mitarbeiter erkennbar gewesen ist. Das LAG wertete die Verstöße des Mitarbeiters als so gravierend und häufig, dass eine Wiederherstellung des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht durch den Ausspruch einer Abmahnung erwartet werden konnte. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung war eine vorherige Abmahnung somit entbehrlich gewesen.
Bei der Interessenabwägung sprach zwar für den Mitarbeiter dessen lange Betriebszugehörigkeit, die weiteren Sozialdaten (Alter, Unterhaltsverpflichtungen) sowie die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis über mehr als zehn Jahre unbeanstandet war. Die Schwere seines Fehlverhaltens belaste das Arbeitsverhältnis jedoch stark, da das Handeln zielgerichtet und beharrlich und auch kein Bagatellfall war. Im Ergebnis fiel die abschließende Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Arbeitgeber aus, dem eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der vereinbarten ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden konnte. Obwohl das LAG also von einem hohen Bestandsschutzinteresse ausging, hielt es die außerordentliche Kündigung für gerechtfertigt.
Praxishinweis
Vermögensdelikte gegen den Arbeitgeber schaffen regelmäßig einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung. Klassiker ist hierbei der Spesenbetrug, mit dem das LAG die unzulässige Nutzung der Tankkarte explizit verglich. Eine pflichtwidrige Nutzung einer Tankkarte kann danach eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen, dies vor allem dann, wenn der Mitarbeiter die abweichende Nutzung einräumt und Rechtfertigungsgründe nicht erkennbar sind. Relevant dürfte insoweit auch gewesen sein, dass der Kläger als Vice-President Sales eine durchaus herausgehobene Position innehatte und die Begründung der Nutzung der Privatfahrzeuge (Porsche 911 angemessener als BMW 320 d) durchaus „großspurig“ wirkt. Jedenfalls obliegt dem Mitarbeiter die sekundäre Darlegungs- und Beweislast für den Einwand, zu einer abweichenden, aber ebenfalls dienstlich veranlassten Nutzung berechtigt gewesen zu sein.