Nachvertragliches Wettbewerbsverbot für GmbH-Geschäftsführer
Kurzüberblick
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gegenüber einer ehemaligen GmbH-Geschäftsführerin für sittenwidrig und damit nichtig erklärt. Maßgeblich war, dass die Klauseln – eine unternehmensbezogene und eine tätigkeitsbezogene – so weit reichten, dass sie faktisch jede Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen untersagten und damit weit über ein berechtigtes Schutzinteresse der GmbH hinausgingen. Eine geltungserhaltende Reduktion lehnte das Gericht ab. Die Entscheidung schärft die Grenzen für die Ausgestaltung solcher Verbote und liefert klare Anhaltspunkte für die Praxis.
Rechtlicher Rahmen: § 138 BGB statt §§ 74 ff. HGB
Für Organmitglieder einer GmbH gelten die §§ 74 ff. HGB nicht unmittelbar, weil Geschäftsführer keine Handlungsgehilfen, sondern Organmitglieder sind. Grenzen von Wettbewerbsverboten ergeben sich daher aus § 138 BGB i. V. m. Art. 2 und 12 GG sowie der hierzu entwickelten Rechtsprechung. Danach sind Wettbewerbsverbote nur zulässig, wenn sie:
- ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft schützen (z. B. Schutz von Know-how, Kundenbeziehungen, Betriebsgeheimnissen) und
- nach Ort, Zeit und Gegenstand die zukünftige Berufsausübung des Betroffenen nicht unbillig erschweren.
Ziel ist ein angemessener Interessenausgleich im konkreten Einzelfall. Insbesondere darf ein Verbot nicht dazu dienen, ehemalige Organmitglieder als potenzielle Wettbewerber pauschal auszuschalten.
Der entschiedene Fall
Die Klägerin war im August als Geschäftsführerin einer GmbH abberufen worden und kündigte ihren Anstellungsvertrag ordentlich fristgerecht zum 31. März des darauffolgenden Jahres. Der Vertrag enthielt ein umfassendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot:
- Unternehmensbezogen:
Verbot jeglicher Tätigkeit – ob als Geschäftsführerin, Angestellte, Beraterin, Vertreterin oder „sonst wie“, direkt oder indirekt – für ein Unternehmen/Person, die eine Konkurrenztätigkeit zur GmbH ausübt.
- Tätigkeitsbezogen:
Verbot, direkt oder indirekt Geschäftsaktivitäten auszuüben, die mit den Gesellschaftstätigkeiten im Unternehmensbereich der GmbH zum Kündigungszeitpunkt konkurrieren.
Nach Vertragsende beabsichtigte die ehemalige Geschäftsführerin eine Tätigkeit als Geschäftsführerin eines Konkurrenzunternehmens aufnehmen und begehrte im einstweiligen Rechtsschutz die Feststellung, dass das mit der GmbH vereinbarte Wettbewerbsverbot unwirksam ist. Das angerufene Landgericht (LG) hielt das nachvertragliche Wettbewerbsverbot für unwirksam und gab dem Antrag statt; die dagegen von der GmbH beim OLG Köln eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.
Kernaussagen des OLG Köln
Maßstab der Wirksamkeit
Wettbewerbsklauseln mit Geschäftsführern unterfallen § 138 BGB. Zulässig sind sie nur, soweit sie legitime Schutzinteressen abdecken und in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht verhältnismäßig sind.
Gegenständliche Überdehnung
- Unternehmensbezogenes Verbot:
Unwirksam, weil es „jedwede Tätigkeit“ bei Konkurrenzunternehmen untersagt – selbst Tätigkeiten ohne Bezug zur früheren Organfunktion. Das geht gegenständlich zu weit.
- Tätigkeitsbezogenes Verbot:
Ebenfalls unwirksam, weil es nach seinem Gegenstand („sämtliche Geschäftstätigkeiten der Gesellschaft“) auf eine vollständige Ausschaltung als Wettbewerber abzielt.
Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit
Beide Klauseln dienten letztlich nur der Ausschaltung der ehemaligen Geschäftsführerin als potenzieller Wettbewerberin; damit sind sie sittenwidrig (§ 138 BGB) und nichtig.
Karenzentschädigung hilft nicht automatisch
Eine vereinbarte Karenzentschädigung von 75 % der zuletzt bezogenen Vergütung kompensiert die gegenständliche Überbreite des Verbots nicht. Ob und in welchem Umfang eine Karenzentschädigung im Rahmen des § 138 BGB überhaupt ausgleichswirksam sein kann, ließ das OLG im Übrigen offen; jedenfalls reichte sie hier nicht.
Keine geltungserhaltende Reduktion
Eine Kürzung „auf das zulässige Maß“ (entweder über § 139 BGB, eine salvatorische Klausel oder eine vertragliche Bezugnahme auf § 74a HGB) scheidet aus, wenn die Sittenwidrigkeit dem Gegenstand nach besteht. Sonst verlöre § 138 BGB seinen Sanktionscharakter; wer sittenwidrig übervorteilt, trägt das Risiko der Nichtigkeit.
Einstweilige Feststellung möglich
Eine Feststellung im Eilverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, wenn das festzustellende Rechtsverhältnis Folgewirkungen für Dritte entfaltet (hier: Wirksamkeitsklausel im neuen Anstellungsvertrag) oder der Verweis auf ein Hauptsacheverfahren unzumutbar wäre (Gefahr, die potentielle neue Anstellung zu verlieren). Bei einer späteren Vertragsstrafe fehlte es zudem am Verschulden, wenn die Tätigkeit gerichtlich gestattet wurde.
Gestaltungsempfehlungen
Präzision statt Pauschale
Klauseln dürfen nicht pauschal „jegliche Tätigkeit“ bei Wettbewerbern untersagen. Erforderlich ist eine eng umrissene, fein austarierte Beschreibung der konkret zu schützenden Interessen (z. B. bestimmte Produktlinien, Key Accounts, F&E-Bereiche, Geheimnisse, strategische Projekte oder Technologien) und der (begründet) konkret verbotenen Tätigkeiten (z.B. Vertrieb/Entwicklung/Leitung in definierter Sparte).
Begrifflichkeiten wie „Konkurrenz“, „Tätigkeitsgebiet“ und „Geschäftsaktivitäten“ sind klar zu definieren, dynamische Verweise (z.B. „sämtliche Tätigkeiten der Gesellschaft“) zu vermeiden.
NDA, Know-how-Schutz, Abwerbeverbote (kundenspezifisch, befristet) sauber eigenständig zu regeln ist oft wirksamer und weniger eingriffsintensiv.
Dreiklang der Angemessenheit
- Gegenstand:
Nur Tätigkeiten verbieten, die die früheren Aufgaben oder spezifisches Know-how berühren. Administrative, randständige oder fachfremde Tätigkeiten beim Konkurrenten dürfen nicht pauschal umfasst sein. Tätigkeiten abgrenzen: Verbot nur für Funktionen, die typischerweise auf dieses Schutzgut zugreifen (z. B. Leitung/Vertrieb im D-A-CH-Gebiet für Produkt X; Entwicklung an Technologie Y).
- Räumlich:
Das relevante Marktgebiet (Regionen/Länder/Märkte) ist auf das reale Wettbewerbfeld räumlich zu begrenzen (keine unbegrenzten globalen Verbote „auf Vorrat“).
- Zeitlich:
hier gilt der Maßstab: „So kurz wie möglich, so lang wie nötig“. Die moderate Dauer beträgt regelmäßig 12 Monate; eine längere Dauer bedarf einer nachvollziehbaren Interessenbegründung (z. B. Lebenszyklus der vertraulichen Information).
- Kombinationen vermeiden:
Unternehmens- und tätigkeitsbezogene Verbote nicht additiv „übereinanderstapeln“, wenn sie in der Summe zur Ausschaltung führen.
- Keine „Rettung“ durch Reduktion:
Salvatorische Klauseln oder ein Verweis auf § 74a HGB schützen nicht. Ist das Verbot dem Gegenstand nach zu weit, bleibt es insgesamt nichtig – ohne Nachbesserung durch das Gericht.
Karenzentschädigung richtig bemessen
Auch bei Geschäftsführern ist eine angemessene Entschädigung (oft 50 %+ der letzten Bezüge) ein wichtiger Baustein. Sie ersetzt aber nicht die notwendige inhaltliche Begrenzung. Eine hohe Entschädigung heilt nicht eine rechtliche Unwirksamkeit wegen gegenständlicher Überdehnung. Sie könnte allenfalls dazu dienen, dass der ehemalige Geschäftsführer aus rein wirtschaftlichen Gründen davon absieht, die Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes geltend zu machen.
Die Höhe der Karenzentschädigung ist transparent festlegen; eine Anrechnung anderweitigen Erwerbs sollte dabei mit erwogen werden. Die Auszahlung erfolgt monatlich.
Verzichtsoptionen vorsehen
§ 75a HGB ist nicht unmittelbar anwendbar, kann aber vertraglich nachgebildet werden (Verzicht mit Frist; Folgen für die Entschädigung).
Dokumentation der Interessenlage
Im Vertrag kurz festhalten, warum die konkrete Beschränkung erforderlich ist. Das erleichtert die gerichtliche Kontrolle.
Fazit
Das OLG Köln setzt klare Grenzen: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer sind nur in dem Maße zulässig, in dem sie konkret berechtigte Interessen schützen und die Berufsausübung maßvoll beschränken. Pauschale Ausschaltung ist unzulässig und führt zur Nichtigkeit – eine geltungserhaltende Reduktion trägt hier nicht. Für die Vertragsgestaltung bedeutet das: präzise Zielrichtung, klare Begrenzungen, angemessene Karenz und intelligenter Flankenschutz durch Geheimnisschutz- und Abwerberegeln. Wer diese Leitplanken beachtet, minimiert Unwirksamkeitsrisiken – und erreicht wirksamen, gerichtsfesten Schutz.