Unwirksamkeit der Beschränkung auf die Dauer der Organstellung

Variable Vergütung darf nicht an die Organstellung gekoppelt werden

Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München sind Vertragsklauseln in Geschäftsführerdienstverträgen, die die Zahlung einer zugesagten variablen Vergütung auf die Dauer der Organstellung als Geschäftsführer beschränken, unwirksam. Ausgangspunkt des Verfah-rens war ein Dienstvertrag, der neben einem festen Jahresgrundgehalt ein variables Jahresgehalt vorsah. Die Ziele sollten jeweils vor Beginn des Geschäftsjahres in Abstimmung festgelegt werden; zugleich enthielt der Vertrag die Formulierung, die variable Vergütung stehe nur „während der Dauer der Bestellung“ als Geschäftsführer zu. Die betroffene Geschäftsführerin wurde im Laufe des Jahres mit sofortiger Wirkung als Organ abberufen, der Dienstvertrag jedoch erst zum Ende der vereinbarten Kündigungsfrist beendet; bis dahin war sie freigestellt. Für den Zeitraum zwischen Abberufung und Vertragsende verlangte sie die variable Vergütung – mit Erfolg vor Landgericht und OLG.

Rechtlicher Rahmen: Der Trennungsgrundsatz des § 38 Abs. 1 GmbHG

Das Gericht knüpft seine Begründung an den im GmbH-Recht verankerten Trennungsgrundsatz, der in § 38 Abs. 1 GmbHG zum Ausdruck kommt. Danach ist die organschaftliche Stellung des Ge-schäftsführers von seinem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis strikt zu trennen. Zwar kann die Organstellung jederzeit widerrufen werden; die Abberufung berührt jedoch das fortbestehende Dienstverhältnis nicht ohne Weiteres. Vergütungsansprüche sind dem Dienstverhältnis zugeordnet. Wird die variable Vergütung formularmäßig – also durch Allgemeine Geschäftsbedingungen – an die fortbestehende Organstellung gekoppelt, widerspricht dies dem gesetzlichen Grundgedanken des § 38 Abs. 1 GmbHG. Genau dies nahm das OLG München an und unterzog die Klausel der AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Ergebnis: Die Beschränkung „nur während der Dauer der Bestellung“ benachteiligt die Geschäftsführerin unangemessen und ist unwirksam.

AGB-Kontrolle auch bei Fremdgeschäftsführern

Wesentlich ist, dass das OLG die Klausel als AGB qualifiziert hat. Bei Fremdgeschäftsführern, die keine Gesellschafterstellung innehaben und typischerweise nicht die Möglichkeit besitzen, Einfluss auf Vertragsinhalte auszuüben, findet die AGB-Kontrolle regelmäßig Anwendung. Maßgeblich ist nicht, ob die Klausel tatsächlich mehrfach verwendet wurde, sondern ob sie vorformuliert und nicht individuell ausgehandelt ist. In der Praxis stammen Vergütungsregelungen in Geschäftsführerverträgen oft aus Mustern der Gesellschaft oder ihrer Berater und sind daher typischerweise AGB. Mit der AGB-Kontrolle geht eine Inhaltsprüfung am Maßstab des gesetzlichen Leitbilds einher. Weicht eine Klausel hiervon zum Nachteil des Vertragspartners ab, ist sie unwirksam. Genau dies gilt für die Kopplung der variablen Vergütung an die Organstellung: Sie ermöglicht es der Gesellschaft, einen Geschäftsführer abzuberufen, das Anstellungsverhältnis fortdauern zu lassen, ihn ggf. sogar weiter zu beschäftigen – aber ohne den variablen Vergütungsbestandteil. Diese Gestaltung durch-bricht die gesetzlich vorgesehene Trennung und benachteiligt den Geschäftsführer unangemessen.

Freistellung ändert nichts an der Unwirksamkeit

An der Unwirksamkeit ändert es nichts, dass die Geschäftsführerin nach der Abberufung freigestellt wurde. Das Gericht stellt klar, dass die Klausel schon deshalb unwirksam ist, weil sie die Möglich-keit eröffnet, bei fortbestehendem Dienstverhältnis eine Weiterbeschäftigung ohne variable Vergü-tung zu verlangen. Eine „geltungserhaltende Reduktion“ auf eine enger gefasste, vielleicht zulässi-ge Variante kommt nach § 306 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Die Klausel fällt insgesamt weg. Folge ist, dass die variablen Vergütungsansprüche nach den übrigen vertraglichen Regeln – insbesondere nach den vereinbarten Zielen für das laufende Jahr – zu prüfen und ggf. zu erfüllen sind, solange der Dienstvertrag besteht. Im entschiedenen Fall hatte der Dienstvertrag das gesamte Kalenderjahr über Bestand; daher stand der Geschäftsführerin eine variable Vergütung für das ganze Jahr zu, unbeschadet der Abberufung und Freistellung.

Ausschluss bei gleichzeitiger Freistellung oder auflösender Bedingungen?

Offen gelassen hat das OLG, ob eine anders formulierte Klausel wirksam sein könnte, die den An-spruch auf variable Vergütung für den Fall einer gleichzeitigen Abberufung und Freistellung aus-schließt. Zwar kann der Trennungsgrundsatz dispositiv abbedungen werden; bei vorformulierten Vertragsbedingungen gelten jedoch strenge Maßstäbe. Vieles spricht dafür, dass auch eine solche Kombination gegen § 307 BGB verstieße, weil sie Vergütung und Organstellung erneut unzulässig verknüpft. Gleiches gilt für Konstruktionen, die die Beendigung des Anstellungsverhältnisses als auflösende Bedingung an die Abberufung knüpfen: In AGB sind solche Regelungen regelmäßig nicht haltbar, da sie den Trennungsgrundsatz aushöhlen und zudem mit zwingenden kündigungs-rechtlichen Vorgaben kollidieren können. Nur als echte Individualabrede – also erkennbar ausgehandelt und dokumentiert – kommen eng begrenzte Verknüpfungen in Betracht; selbst dann sind sie am Maßstab des Kündigungsrechts und der Angemessenheit zu messen.

Praktische Konsequenzen für Vertragsmuster

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung, dass viele Standardklauseln in Geschäftsführerdienstver-trägen überprüft und angepasst werden müssen. Gesellschaften, die variable Vergütungsbestand-teile vorsehen, dürfen diese nicht pauschal an die Organstellung koppeln, sofern sie sich der AGB-Kontrolle unterwerfen. Andernfalls drohen Nachforderungen für bereits abgelaufene Perioden, ins-besondere wenn Zielvereinbarungen getroffen und (teilweise) erfüllt wurden. Unternehmen, die dennoch eine inhaltliche Verknüpfung wünschen – etwa um eine erfolgsabhängige Vergütung an die aktive Leitungstätigkeit zu binden –, müssen den Weg der Individualvereinbarung gehen. Das erfordert eine dokumentierte Verhandlung auf Augenhöhe, in der die Klausel zur Disposition steht und in ihrem Kern verändert werden kann. Empfehlenswert ist eine klare Protokollierung der Ver-handlungsschritte, um im Streitfall die Individualabrede nachweisen zu können.

Hinweise für Geschäftsführer

Geschäftsführer, insbesondere Fremdgeschäftsführer, sollten bestehende Verträge daraufhin prü-fen, ob variable Vergütungsbestandteile unzulässig an die Organstellung geknüpft sind. Wird ein Geschäftsführer abberufen, der Dienstvertrag besteht aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fort, können variable Bestandteile gleichwohl geschuldet sein; maßgeblich ist die vertraglich vereinbarte Zielsystematik. Dabei sind Gesellschaften gut beraten, Zielvereinbarungen und deren Anpassungen transparent zu gestalten. Klauseln, die eine einseitige Änderung von Zielen während des Jahres ohne Zustimmung des Geschäftsführers ermöglichen, sind zulässig, sofern sie angemessen ausgestaltet sind; doch auch hier gilt, dass AGB-rechtliche Grenzen zu beachten sind und jede Gestaltung dem Transparenzgebot genügen muss.

Hinweise für Unternehmen

Im Ergebnis bestätigt das OLG München, dass Vergütung dem Dienstverhältnis zugeordnet ist und nicht an die formale Organstellung geknüpft werden darf, wenn dies über vorformulierte Vertragsbedingungen geschieht. Der Trennungsgrundsatz bildet den Prüfungsmaßstab: Die jederzeitige Abberufbarkeit als Organ darf nicht dazu führen, dass vertraglich vereinbarte Vergütungsbestand-teile leerlaufen, solange der Dienstvertrag besteht. Unternehmen sollten deshalb ihre Vertragsmuster überarbeiten, pauschale Kopplungsklauseln streichen und – soweit im Einzelfall gewünscht – tragfähige, individuell ausgehandelte Lösungen entwickeln. Geschäftsführer wiederum sollten ihre Ansprüche sorgfältig sichern, Zielerreichungen dokumentieren und bei Abberufung die Vergütungs-folgen für die Restlaufzeit des Dienstvertrages prüfen lassen. Die Entscheidung setzt damit ein deutliches Signal für eine rechtssichere Vergütungsarchitektur in GmbHs: Klare Trennung von Organstellung und Anstellungsverhältnis, Transparenz der Zielsysteme und Zurückhaltung bei formularmäßigen Verknüpfungen – andernfalls drohen Unwirksamkeit und erhebliche finanzielle Konsequenzen.

Fazit: Rechtssichere Vergütungsarchitektur verlangt Trennung und Transparenz

Die Entscheidung des OLG München stärkt die Trennung von Organstellung und Dienstverhältnis und stellt klar, dass variable Vergütung als Bestandteil der Gesamtvergütung nicht allein an die Organstellung geknüpft werden darf, wenn die Regelung in AGB erfolgt. Für Unternehmen bedeutet dies, Vergütungsregelungen sauber zu trennen, Zielsysteme transparent zu gestalten und gewünschte Verknüpfungen – sofern überhaupt sinnvoll – ausschließlich über belastbare, dokumentierte Individualabreden abzubilden. Für Geschäftsführer eröffnet das Urteil die Möglichkeit, variable Vergütungsbestandteile auch nach der Abberufung bis zum Ende des Dienstvertrages geltend zu machen.