Zahlungsunfähigkeit und ihre Anzeichen bei Geschäftspartnern erkennen

Über den Umgang mit Zahlungsausfall- und Anfechtungsrisiken
Der häufigste Insolvenzgrund, die Zahlungsunfähigkeit, kann auch eigentlich profitabel arbeitende Unternehmen treffen. In einer zunehmend volatilen Wirtschaftslage ist es für Unternehmen essenziell, ihre Geschäftsbeziehungen regelmäßig auf Stabilität und Bonität zu überprüfen. Das Risiko, mit einem zahlungsunfähigen Geschäftspartner zusammenzuarbeiten, ist nicht nur kurzfristig betriebswirtschaftlich gefährlich, sondern kann durch insolvenzrechtliche Fallstricke wie die Insolvenzanfechtung auch nachträglich zu finanziellen Verlusten führen. Für Unternehmen ist es daher entscheidend, in dieser Hinsicht Risiken zu erkennen und bei Vertragsschluss möglichst abzusichern. Wir erläutern, was die Zahlungsunfähigkeit ist, wie man ihre Anzeichen bei Geschäftspartnern erkennen kann und wie man die rechtlichen Risiken so weit wie möglich absichert.
Insolvenzantragspflicht nach § 15a Insolvenzordnung
Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a Abs. 1 Insolvenzordnung zählt zu den zentralen Pflichten eines Geschäftsführers. Der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§17 Insolvenzordnung) liegt vor, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre fälligen Verbindlichkeiten im Wesentlichen zu begleichen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2005 entschieden, dass dies der Fall ist, wenn mehr als 10 % der fälligen Verbindlichkeiten nicht bedient werden können und dies auch nicht mit an Sicherheit zu grenzender Wahrscheinlichkeit in den nächsten drei Wochen zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 – IX ZR 123/04).
Die laufende Überwachung der eigenen Zahlungsfähigkeit ist für Geschäftsführer keine Option, sondern Pflicht, um persönliche Haftung zu vermeiden. (Weitere Informationen in unserem Artikel zur Zahlungsunfähigkeit)
Zahlungsausfallrisiko
Aber auch für Geschäftspartner bedeutet dies immer ein Risiko. Kurzfristig droht der vollständige Ausfall von Forderungen. Muss der Schuldner Insolvenz anmelden, bleibt dem Gläubiger die im Normalfall geringe Insolvenzquote – und dies auch nur nach Jahren. Die Folgen des Ausbleibens eingeplanter Zahlungsströme können oft auch Liquiditätsengpässe im eigenen Unternehmen sein.
Anfechtungsrisiko – drohende Gefahr auch nach Zahlung
Ein weiteres, weithin nicht bekanntes Risiko ist die Insolvenzanfechtung nach den Paragrafen 129 ff. der Insolvenzordnung (InsO). Zahlungen, die der Schuldner in den letzten Monaten oder sogar Jahren vor dem Insolvenzantrag geleistet hat, können unter bestimmten Voraussetzungen vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden.
Im Fall der sogenannten vorsätzlichen Benachteiligung sind Zahlungen in einem Zeitraum von bis zu 10 Jahren vor Insolvenzantrag gemäß § 133 InsO anfechtbar.
Sollte keine vorsätzliche Benachteiligung erfolgt sein, ist der Zeitraum von 3 Monaten vor Insolvenzantrag der „gefährliche“ Zeitraum. Dann sind gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO nämlich auch die Zahlungen anfechtbar, auf die der Gläubiger einen legitimen Anspruch hatte – Solange der Schuldner zu dem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig war und der Gläubiger das wusste. Dabei steht gemäß § 130 Abs. 2 InsO der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
Anhaltspunkte und Beweisanknüpfungspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit
Als Gläubiger gilt es also, dauerhaft im Auge zu behalten, ob Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich eine Zahlungsunfähigkeit ergibt. Laut der gesetzlichen Vermutungsregelung des § 17 Abs. 2 S. 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit zum Beispiel in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Andere Indizien, die Sie beachten müssen, sind:
- Nachträgliche Vereinbarung von Ratenzahlung
- Nichteinhaltung von Zahlungszusagen
- Schleppende Zahlungsweise (immer etwas zu spät)
- Nicht-Zahlung ohne Nennung eines Grundes
- Nicht-Zahlung von Löhnen und Gehältern
Sind diese Indizien einem Dritten bekannt, so wird die Rechtsprechung in der Regel davon ausgehen, dass dieser auch die Zahlungsunfähigkeit kannte. Damit können Zahlungen im Zeitraum von 3 Monaten vor Insolvenzantragsstellungen angefochten werden.
Sie sollten also immer darauf achten, ob bei einem Ihrer Vertragspartner diese Indizien vorliegen. Als Geschäftsführer können Sie sich außerdem nicht damit verteidigen, diese Indizien nicht gekannt zu haben. Das Wissen Ihrer dafür eingesetzten Mitarbeiter ist Ihnen in der Hinsicht zurechenbar. Eine entsprechende Schulung der zuständigen Mitarbeiter ist also unerlässlich.
Möglichkeiten der präventiven Absicherung
Einfach nur auf Vorauszahlung zu bestehen, kann also aufgrund der Anfechtungsmöglichkeit nicht genügen. Ihre Absicherung gegen diese Risiken sollte bereits bei Vertragsgestaltung beginnen.
Zur Sicherung der eigenen Ansprüche sollte immer ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden, sofern dies möglich ist. Andernfalls können andere dingliche Sicherheiten abgeschlossen werden. Hilfreich kann es auch sein, Rücktrittsrechte bei Zahlungsverzug zu vereinbaren. So kann der Vertrag im Zweifel zurückabgewickelt werden. Sie können auch Ihre Vertragspartner dazu vertraglich verpflichten, wesentliche wirtschaftliche Änderungen offenzulegen.
Vorgehen im Ernstfall
Sollten Indizien auftauchen, die auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeuten, sollten Sie sofort handeln.
Sie müssen die geschäftliche Beziehung mit dem Vertragspartner nicht abbrechen. Allerdings ist das der Zeitpunkt, an dem Sie mit anwaltlicher Unterstützung die Situation überprüfen und einen Fahrplan für die zukünftigen Vertragsbeziehungen erstellen lassen sollten. Dies besteht immer daraus, die existierenden vertraglichen Möglichkeiten abzuklären. Es gilt zu überprüfen, ob vereinbarte Sicherheiten werthaltig sind oder ob es sich anbietet, vertragliche Gestaltungsrechte auszuüben.
Für die weitere Geschäftsbeziehung sollten Sie dann einen Plan erarbeiten. Sollten keine ausreichenden Indizien für eine Zahlungsunfähigkeit vorliegen, halten Sie dies schriftlich fest. Andernfalls gilt es, das Anfechtungs- und Ausfallrisiko abzusichern: Strategien können zum Beispiel sein, mit Forderungsausfallversicherung zu arbeiten, die bestehenden Eigentumsvorbehalte zu nutzen oder zumindest für diesen Geschäftspartner einen Factoring-Anbieter zu nutzen, der das Risiko übernimmt. Auch die Arbeit mit dem Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO bietet sich an. Bei Einhalten gewisser Regeln (Unmittelbarer Leistungsaustausch, sachlich, wie auch zeitlich) ist damit die Anfechtungsmöglichkeit normalerweise ausgeschlossen.
Wenn Sie sich in dieser Situation wiederfinden, sprechen Sie uns an. Wir erarbeiten mit Ihnen eine Lösung.

Oscar Silcher
Rechtsanwalt
[email protected]
+49 711 997868 16

Dr. Robert Rek
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner
[email protected]
+49 711 997868 31