Meldepflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen

06/12/2021

Theresa Wais (theresa.wais@str-auren.de), Steuerberaterin. Mitglied des Auren-Teams Global Taxperts – unsere Experten für grenzüberschreitende Steuerfragen

Sachlicher Anwendungsbereich

Um effizienter gegen aggressive Steuervermeidungspraktiken vorgehen zu können, hat die EU bereits 2018 die Amtshilferichtlinie nachgeschärft: Steuergestaltungen sollen gemeldet werden, damit Umgehungsmodelle frühzeitig erkannt und unterbunden werden können. Für Steuerpflichtige stellt sich nun die nicht ganz einfach zu beantwortende Frage, ob und was genau eigentlich gemeldet werden muss.

Hintergrund

Angesichts der ständig steigenden Mobilität von Personen, immateriellen Vermögensgegenständen und Kapital möchte die EU Mitgliedsstaaten dabei helfen, die nationalen steuerlichen Bemessungsgrundlagen vor Aushöhlung zu schützen. Auf Basis von Informationen, die die Steuerpflichtigen im Rahmen der neuen Regelung selbst zu melden haben, hoffen die Mitgliedsstaaten Erkenntnisse zu Umgehungsmodellen zu erlangen. Nebenbei soll durch die Meldepflicht eine Abschreckungswirkung erzeugt werden, die demotivierend auf Steuerpflichtige wirken soll, überhaupt gestalterisch aktiv zu werden.
Damit bislang unbekannte Gestaltungsmodelle überhaupt abgefangen werden können, muss der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der neuen Vorschrift vergleichsweise breit sein. Daraus können sich im Einzelfall signifikante Unsicherheiten ergeben.
Die nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick, wann grundsätzlich eine Meldepflicht besteht:

Unbedingte Kennzeichen (§ 138e II AO)

Unbedingte Kennzeichen (§ 138e II AO) führen unabhängig davon, ob ein steuerlicher Vorteil vorliegt, zur Anzeigepflicht. Eine abschließende Erläuterung sämtlicher unbedingter Kennzeichen würde den Rahmen sprengen, daher verweisen wir für die vollständige Auflistung auf das Schaubild, möchten aber beispielhaft eine meldepflichtige Verrechnungspreisgestaltung erläutern: Die Nutzung unilateraler Safe Harbour-Regelungen.

Beispiel: Unilaterale Safe Harbour-Regelung
Eine deutsche Gesellschaft bezieht von einer indischen Schwestergesellschaft IT-Dienstleistungen. Der Verrechnungspreis wird dem Grunde nach zutreffend nach der Kostenaufschlagsmethode ermittelt. Da sich die Gesellschaft die Erstellung einer Benchmarking-Studie zur Ermittlung eines der Höhe nach zutreffenden Gewinnaufschlags sparen möchte, zieht sie stattdessen die Vorgaben der indischen Finanzverwaltung heran: Diese erachtet einen Gewinnaufschlag von 18% als angemessen.

Unabhängig davon, ob der Gewinnaufschlag von 18% angemessen ist oder nicht, wäre diese Strukturierung meldepflichtig. Die Vorgaben der indischen Finanzverwaltung sind rein unilateral. Hätte die deutsche Gesellschaft dahingegen eine Benchmarking-Studie durchgeführt und wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass 18% ein fremdüblicher Aufschlag sind, käme es nicht zur Meldepflicht. Ausschlaggebend ist in diesem Beispiel also nicht die Höhe des Aufschlags an sich, sondern die Quelle, auf die sich der Steuerpflichtige bezieht.

Bedingte Kennzeichen (§ 138e I AO)

Bedingte Kennzeichen (§ 138e I AO) führen dann zur Meldepflicht, wenn neben einem Kennzeichen nach § 138e I AO auch ein steuerlicher Vorteil vorliegt und dieser (einer) der Hauptvorteil(e) der Gestaltung ist (sog. Relevanztest). Dabei ist nicht maßgeblich, ob der steuerliche Vorteil tatsächlich eintritt: Ausreichend ist die Erwartungshaltung, dass ein Steuervorteil bei Implementierung der Gestaltung zustande kommen wird.
Eine Auflistung der bedingten Kennzeichen ist dem Schaubild zu entnehmen, wir möchten allerdings auf eine bedingte Gestaltung beispielshaft genauer eingehen, nämlich die der Einkünfteumwandlung.
Mit der Einkünfteumwandlung bezweckt der Gesetzgeber, Gestaltungen abzugreifen, in deren Rahmen Einkünfte derart umgewandelt werden, dass die zu begünstigt besteuerten Einkünften umqualifiziert werden.

Beispiel:
Eine deutsche Muttergesellschaft (KSt 30%) legt ein Darlehen, das sie an ein anderes Unternehmen ausgereicht hat, in eine Tochtergesellschaft ein (KSt 25%). Die Zinseinnahmen fallen dann auf Ebene der Tochtergesellschaft an und werden im Anschluss per Dividende an die deutsche Mutter durchgereicht und in Deutschland unter Berücksichtigung des Schachtelprivilegs begünstigt besteuert.

In diesem Fallbeispiel ergibt sich aus der Einlage des Darlehens in der Gesamtbetrachtung ein steuerlicher Vorteil. Diese Gestaltung wäre meldepflichtig, obwohl sie erstmal nicht missbräuchlich erscheint. Wir empfehlen vor diesem Hintergrund, Transaktionen, die Steuerpflichtige (auch ohne Hintergedanken) durchführen, stets auf deren steuerlichen Implikationen abzuprüfen und der Meldepflicht dann – wenn notwendig – nachzukommen.

Unsere Einordnung

Im Standardfall ist das Gesetz vergleichsweise eindeutig: Grenzüberschreitende Steuergestaltungen müssen gemeldet werden und zwar von demjenigen, der die Gestaltung entwickelt hat. Da Ziel aber insb. ist bislang unbekannte Gestaltungen abzufangen, ergeben sich naturgemäß Unsicherheiten im Anwendungsbereich, sodass ggfs. auch „Alltagsfälle“ gemeldet werden müssen. Dies nimmt der Gesetzgeber in Kauf. Angesichts empfindlicher Sanktionen empfehlen wir Steuerpflichtigen die eigenen Transaktionen kritisch zu prüfen, denn nicht alles, was meldepflichtig ist, ist auf den ersten Blick auch Steuergestaltung.

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