Digitalisierung im Gesellschaftsrecht

10/10/2022

Franziska Peter (Franziska.Peter@str-auren.de), Rechtsanwältin

In weiten Bereichen der Arbeitswelt ist eine Digitalisierung durch Corona-Pandemie und Homeoffice-Pflicht quasi über Nacht notwendig und gängig geworden, u.a. über digitale Kommunikationsmittel wie beispielsweise per Videokonferenz. Im Gesellschaftsrecht tut sich der Gesetzgeber insoweit bislang immer noch sehr schwer. Notarielle Beurkundungstermine per Videokonferenz abzuhalten war bislang nach wie vor nicht möglich, da die Anwesenheit der Beteiligten bzw. jedenfalls eines Vertreters bei der Beurkundung erforderlich waren.

Einen ersten Vorstoß brachte nunmehr die Digitalisierungsrichtlinie, deren Regeln mit dem Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) für deutsches Recht zum 1. August 2022 endlich in Kraft getreten sind. Die Digitalisierungsrichtlinie soll durch den Einsatz digitaler Instrumente und Verfahren die Gründung von Gesellschaften und die Errichtung von Zweigniederlassungen europaweit grenzüberschreitend vereinfachen um den hiermit verbundenen Kosten- und Zeitaufwand aller Beteiligten zu reduzieren. Dazu enthält die Richtlinie eine Reihe von Regelungen, wie die Verpflichtung zur Einführung der Online-Gründung der GmbH, zu Online-Verfahren bei Registeranmeldungen für Kapitalgesellschaften und Zweigniederlassungen, zur Einreichung und Offenlegung von Urkunden und Informationen im Handels- und Unternehmensregister sowie zum grenzüberschreitenden Informationsaustausch über das Europäische System der Registervernetzung.

Schon vor Einführung des DiRUG wurde dieses wegen der nur zögerlichen und sehr eng begrenzten Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vielfach kritisiert. Erfreulicherweise gab es dann bereits im Frühjahr dieses Jahrs einen weiteren Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ergänzung dieser Regeln (Erg-DiRUG), der nun zum Teil zeitgleich in Kraft getreten ist, zum Teil erst zum 1. August 2023 Inkrafttreten wird.

Zukünftig kann danach der Gang zum Notar bei vielen gesellschaftsrechtlichen Themen die Ausnahme bleiben, vorausgesetzt die Beteiligten erfüllen die technischen und rechtlichen Anforderungen hierfür.

A. Digitalisierung notarielle Beurkundung bzw. Beglaubigung

I.   Verfahren / technische Voraussetzungen

Die Beurkundung bzw. Beglaubigung von Willenserklärungen beim Notar soll zukünftig mittels Videokommunikation über ein von der Bundesnotarkammer neu zu implementierendes, sicheres, manipulationsresistentes und zuverlässiges Videokommunikationssystem möglich sein. Zur Beibehaltung der hohen Standards notarieller Beurkundungsverfahren bedarf es dazu eines elektronischen Identitätsnachweises sowie einer qualifizierten elektronischen Signatur.

1.   Elektronischer Identitätsnachweis
Wie im Präsenz-Verfahren hat sich der Notar Gewissheit über die Person der Beteiligten zu verschaffen. Hierfür übermitteln die Beteiligten dem Notar ein elektronisches Lichtbild sowie einen elektronischen Identitätsnachweis, wie z. B. den Personalausweis mit eID-Funktion, der die einwandfreie Identifikation der Beteiligten durch Auslesen von deren Lichtbildern aus dem Chip des Personalausweises gewährleisten soll. Für die Identifizierung sind aber auch andere Nachweise möglich, die dem notwendigen Sicherheitsniveau entsprechen und entsprechend anerkannt werden müssen. Mangels geeigneter Identifizierungsmittel sind Staatsangehörige aus Drittstaaten bereits von vornherein von der Möglichkeit der notariellen Online-Verfahren ausgeschlossen. EU-Bürgerinnen und -Bürger sowie Personen mit elektronischen Aufenthaltstiteln müssen bestimmte technische Voraussetzungen erfüllen, wobei diese Hürden nicht allzu hoch sind.

2.  Qualifizierte elektronische Signatur
Die herkömmliche eigenhändige Unterschrift der an der Beurkundung teilnehmenden Person(en) auf der Urkunde wird durch eine qualifizierte elektronische Signatur in einer elektronischen Niederschrift ersetzt. Diese qualifizierte elektronische Signatur erstellt im Auftrag der unterzeichnenden Person der sog. qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter (beispielsweise Bundesnotarkammer, Deutsche Post oder Deutsche Telekom). Diesem gegenüber muss die am Onlineverfahren teilnehmende Person im Vorfeld ihre Identität sicher nachweisen.

II.   GmbH-Gründung

1.   Bargründung
Ab dem 01.08.2022 kann die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags bei der Gründung einer GmbH oder einer UG rein digital erfolgen. Diese Formerleichterung ist zunächst nur bei einer Bargründung vorgesehen, die voraussetzt, dass das Stammkapital tatsächlich eingezahlt wird. Die Gründung von Gesellschaften anderer Rechtsformen (Personengesellschaften oder Aktiengesellschaften) und die Gründung mit Sacheinlagen sowie die Beurkundung weiterer Beschlüsse war bisher (auch nach dem DiRUG) nicht vorgesehen.

Außerdem soll die Eintragungsfrist ab Handelsregisteranmeldung für eine Gründung zukünftig maximal zehn Arbeitstage betragen dürfen. Diese Frist verkürzt sich sogar auf lediglich maximal fünf Arbeitstage sofern die Gründungsgesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und das Musterprotokoll als Satzung verwenden.

2.   Sachgründung
Die bisher nach dem DiRUG vorgesehene Beschränkung auf Bargründungen will der Gesetzgeber nun mit dem Erg-DiRUG nachbessern und die Online-Gründung ab dem 01.08.2023 auch auf Sachgründungen (d.h. die Erbringung des Stammkapitals durch Sacheinlagen wie z.B. Fahrzeuge) ausweiten.

Ausgenommen sind allerdings Sachgründungen mittels Gegenständen, deren Übertragung ihrerseits beurkundungspflichtig ist, wie beispielsweise die Einbringung von Grundstücken oder GmbH-Anteilen. Auch Gründungsverfahren nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) – wie beispielsweise die Ausgliederung oder die Spaltung zur Neugründung – sind vom Onlineverfahren ausgeschlossen. Für diese Vorgänge verbleibt es bei der Pflicht wie bisher im Präsenz-Verfahren notariell zu beurkunden.

3.   Gründungsvollmacht
Ebenfalls ausgeweitet wird die ursprüngliche Regelung durch das Erg-DiRUG für den Fall, dass bei Gründung einer Gesellschaft ein Vertreter eingesetzt wird: Die notarielle Errichtung der hierfür notwendigen Gründungsvollmacht kann bereits ab 01.08.2022 via Videokommunikation erfolgen. Das praktische Bedürfnis hierfür besteht insbesondere im Hinblick auf Vollzugsvollmachten: Beanstandet das Registergericht den Inhalt des Gesellschaftsvertrages, kann dieser durch den Vertreter so kurzfristig geändert werden.

III.   Satzungsänderungen GmbH

Mit dem Erg-DiRUG will der Gesetzgeber nun auch der Kritik gerecht werden, das videobasierte Verfahren bislang nicht auf weitere beurkundungspflichtige Vorgänge angewandt zu haben. Daher sollen ab 01.08.2023 auch einstimmig gefasste satzungsändernde GmbH-Gesellschafterbeschlüsse, z.B. Änderungen des Gesellschaftsvertrages einschließlich Kapitalmaßnahmen (Erhöhung und Herabsetzung des Stammkapitals), in den Anwendungsbereich des Online-Verfahrens einbezogen werden.

IV. Beglaubigung und Registeranmeldung

Bei Registeranmeldungen (z.B. der Gesellschafterliste bei der GmbH-Gründung oder die Aktualisierung der Geschäftsanschrift im Handelsregister) bedurfte es bisher einer vor dem Notar zu leistenden und von diesem zu beglaubigenden Unterschrift. Nun kann die notarielle Beglaubigung von Registeranmeldungen mit Hilfe einer qualifizierten elektronischen Signatur, die via Videokommunikation beglaubigt wird, erfolgen. Ein persönliches Erscheinen des Anmeldenden beim Notar ist nicht mehr erforderlich. Die mittels Videokommunikation erstellten Urkunden können vom Notar online eingereicht werden.

1.   Handelsregisteranmeldungen von Einzelkaufleuten und Kapitalgesellschaften
Ab 01.08.2022 galt dies nach dem DiRUG zunächst nur für Handelsregisteranmeldungen durch Einzelkaufleute oder Kapitalgesellschaften (GmbH, AG und KGaA), wobei auch bestimmte Zweigniederlassungen im europäischen Ausland umfasst sind. Die Neuregelung umfasst jedoch nicht, dass bevollmächtigte Dritte die Registeranmeldung vornehmen.

2.   Handelsregisteranmeldungen auch für alle anderen Rechtsträger
Für Personengesellschaften und Genossenschaften war eine entsprechende Regelung ursprünglich nicht vorgesehen. So könnte bei einer geläufigen Gesellschaftsform wie der GmbH & Co. KG die Komplementär-GmbH ihre Registeranmeldungen digital durchführen, für die Anmeldungen betreffend die Kommanditgesellschaft – die häufig gleichzeitig vorzunehmen sind – wäre hingegen weiterhin der Gang zum Notar nötig gewesen. Dem soll durch das Erg-DiRUG nun Abhilfe geschaffen werden und die Online-Beglaubigung von jeglichen Handelsregisteranmeldungen bereits ab 01.08.2022 zulässig sein.

3.   Partnerschafts- und Genossenschaftsregisteranmeldungen
Ebenso bereits ab 01.08.2022 können aufgrund der Ausweitung durch das Erg-DiRUG auch Anmeldungen zum Partnerschafts- und Genossenschaftsregister fortan durch notariellen Beglaubigung via Videokommunikation vorgenommen werden.

4.   Vereinsregister
Für Anmeldungen zum Vereinsregister soll die Online-Beglaubigung ab dem 01.08.2023 zulässig sein.

B. GmbH-Gesellschafterversammlung

Das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) wird durch das Erg-DiRUG ab 01.08.2022 klarstellend dahingehend ergänzt, dass Gesellschafterversammlungen auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden können, wenn sämtliche GmbH-Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.

C. Einreichung und Offenlegung von Urkunden und Informationen im Handels- und Unternehmensregister

Das DiRUG sieht grundlegende Änderungen hinsichtlich der Bekanntmachung von Eintragungen und Änderungen im Handelsregister vor. Ab 1.8.2022 sollen alle Informationen im Handelsregister als zentralem Informationsportal einsehbar sein und es entfällt die Bekanntmachung von Registereintragungen und -bekanntmachungen in einem gesonderten Portal. Stattdessen gelten diese Informationen als bekannt gemacht, wenn sie im Handelsregister erstmalig (online) zum Abruf bereitgestellt werden.

Gleiches gilt für das System zur Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen, wie beispielsweise Jahresabschlüsse. Diese sollen ab 01.08.2022 nur noch in das Unternehmensregister eingestellt und dadurch offengelegt werden. Die bisherige Doppelpublizität in Bundesanzeiger und Unternehmensregistern entfällt, sodass das Unternehmensregister zur zentralen Stelle für Unternehmensinformationen wird.

Darüber hinaus werden nach dem DiRUG ab 01.08.2022 die Registerinhalte aus dem Handels-, Partnerschafts-, Genossenschafts- und Vereinsregister online für jedermann ohne vorherige Registrierung verfügbar sein (um einem Missbrauch vorzubeugen allerdings beschränkt auf Einzelabrufe).

Gleichzeitig fallen keine Gebühren mehr an, wenn die Öffentlichkeit Daten aus dem Handelsregister abruft. Die Kosten für die Bereitstellung dieser Daten und Dokumente soll durch Erhebung einer Bereitstellungsgebühr kompensiert werden. Die Kosten verlagern sich also vom Abrufenden auf den Bereitstellenden.

D. Eintragung ausländischer Zweigniederlassungen

Ab 01.08.2022 verpflichtet das DiRUG Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland ihre Zweigniederlassungen in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR künftig einzutragen.

E. Fazit

Die erfreulicherweise durch das DiRUG vorgenommen ersten Öffnungsschritte des Gesellschaftsrechts für die Digitalisierung und die bereits kurze Zeit später erfolgte Nachbesserung im Erg-DiRUG lässt hoffen, dass insoweit in naher Zukunft weitere Veränderungen durch Digitalisierung möglich sind.

So wäre beispielsweise auch eine Ausweitung der Online-Gründung auf weitere Gesell­schaftsformen neben der GmbH – wie in der vom Deutschland umzusetzenden Digitalisierungsrichtlinie vorgesehen, von Deutschland jedoch aufgrund einer in der in der Richtlinie bestehenden Opt-Out-Möglichkeit nicht für alle Kapitalgesellschaften umgesetzt – wünschenswert.

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