Vollständige Steuerentstehung im Moment der Leistungsausführung trotz Ratenzahlung

28/12/2021

Marcus Vörös (marcus.voeroes@str-auren.de), Steuerberater. Mitglied des Auren-Teams VAT Experts – unsere Experten für Umsatzsteuer national und international

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 28.10.2021 (C-324/20) entschieden, dass die Umsatzsteuer bereits bei Leistungserbringung entsteht, auch wenn das Entgelt erst später in Form von Ratenzahlungen vereinnahmt wird.

Sachverhalt

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 07.05.2020 (V R 16/19) den EuGH um eine Vorabentscheidung zur Frage der Steuerentstehung bei einer in Raten gezahlten Vermittlungsleistung ersucht. Weiterhin fragte der BFH bei Verneinung der ersten Frage, ob bei einer Ratenzahlungsvereinbarung die Erstreckung der hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als zwei Vorauszahlungszeiträume zur Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts führt.

Im Streitfall (Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Az. 3 K 1816/18) handelt es sich um eine einmalige Dienstleistung in Form einer Grundstücksvermittlungsleistung im Jahre 2012, für die die Klägerin ein Honorar von insgesamt 1.000.000 EUR (netto) in fünf jährlichen Raten in Höhe von jeweils 200.000 EUR (zuzüglich 38.000 EUR Umsatzsteuer) erhielt. Die Umsatzsteuer von 38.000 EUR führte die Klägerin jährlich an das Finanzamt ab.

Das Finanzamt verlangte hingegen bereits im Jahr 2012 den gesamten Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 190.000 EUR, zuzüglich der entsprechenden Zinsen.

Hintergrund

Der BFH hat das Ersuchen der Vorabentscheidung mit der abschließenden und auf den Streitfall bezogenen Auslegung der folgenden EuGH-Entscheidungen aus 2015 und 2018 begründet:

Im Urteil vom 03.09.2015 (C-463/14) hatte der EuGH im Fall einer dauerhaft über einen längeren Zeitraum erbrachten Beratungsleistung die Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL bejaht. Demnach entsteht die Umsatzsteuer bei solchen Beratungsleistungen erst bei den späteren Zahlungen.

Im Urteil vom 29.11.2018 (C-548/17) hat der EuGH für die Vermittlung eines Profi-Fußballspielers an einen Verein durch eine Spielervermittlerin entschieden, dass die Umsatzsteuer anteilig im Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Ratenzahlung entsteht. Im Unterschied zum aktuellen Streitfall standen in diesem Sachverhalt sowohl die Fälligkeit als auch die einzelnen Ratenansprüche für die Spielervermittlungsprovision unter der zivilrechtlichen Bedingung, dass der Arbeitsvertrag des Spielers mit dem Verein noch besteht. Im aktuellen Streitfall liegt lediglich eine Befristung vor, aber keine Bedingung für die Zahlung des Honorars.

Urteil

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 28.10.2021 entschieden, dass eine in Raten vergütete einmalige Dienstleistung nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 64 MwStSystRL fällt. Demnach entsteht die Umsatzsteuer nicht erst bei der jeweiligen Ratenzahlung, sondern bereits zum Zeitpunkt der Ausführung des betreffenden Umsatzes (gemäß Art. 63 MwStSystRL).

Die Schlussfolgerung aus den o. g. drei Urteilen ist, dass die Umsatzsteuer grundsätzlich vollumfänglich mit Erbringung der Leistung entsteht und eine ratenweise Steuerentstehung nur die Ausnahme darstellt. Die Umsatzsteuer entsteht nur dann ratenweise, wenn die Leistung (z. B. aufgrund von zivilrechtlich vereinbarten aufschiebenden Bedingungen) als nicht nur einmalig, sondern wiederholt oder kontinuierlich während eines bestimmten Zeitraums als erbracht angesehen werden kann und somit eine Ratenzahlung rechtfertigt. Der EuGH betont diesbezüglich, dass zwischen der Art der Leistung und ihrer ratenweisen Zahlung ein Zusammenhang vorliegen muss. Somit soll eine bloße Ratenzahlungsvereinbarung einer ansonsten einmalig ausgeführten Leistung es nicht ermöglichen, die Fälligkeit der Umsatzsteuer künstlich hinausschieben zu können.

Weiterhin entschied der EuGH zur zweiten Frage des BFH, dass bei solchen Ratenzahlungsvereinbarungen, welche die Fälligkeit der Forderung über mehr als zwei Veranlagungszeiträume hinausschieben (wie hier über fünf Jahre), eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts nicht möglich sei. Im Gegensatz zum FG Rheinland-Pfalz sieht der EuGH hier nicht die Unzumutbarkeit der Vorfinanzierung der Umsatzsteuer, die der Uneinbringlichkeit faktisch gleichzustellen sei.

Demnach muss die Klägerin im Streitfall bereits im Zeitpunkt der Ausführung der Grundstückvermittlungsleistung in 2012 den gesamten Umsatzsteuerbetrag auf das geschuldete Entgelt (zuzüglich Zinsen) an das Finanzamt abführen. Die sukzessive Vereinnahmung des Entgelts über fünf Jahre steht diesem Grundsatz nicht entgegen.

Praxishinweis

Das Umsatzsteuersystem unterscheidet grundsätzlich zwischen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (als Sonderform) und der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (als Regelform). Die Regelform, nämlich die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, führt jedoch dazu, dass der leistende Unternehmer in vielen Fällen die Umsatzsteuer „vorfinanzieren“ muss. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit dem Kunden längere Zahlungsziele vereinbart wurden, sodass der Fälligkeitszeitpunkt der Umsatzsteuer vor dem Zeitpunkt des Geldeingangs vom Kunden liegt, was eine nicht unwesentliche finanzielle Belastung für den leistenden Unternehmer zur Folge hat. Der EuGH hat mit dem vorliegenden Urteil die Zumutbarkeit dieser finanziellen Belastung durch die Sollversteuerung im Prinzip bestätigt. Daher ist Vertragsparteien anzuraten, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, in Bezug auf künftige Ratenzahlungsvereinbarungen bei Nicht-Dauerschuldverhältnissen die Umsatzsteuer bereits zum Zeitpunkt der Leistungserbringung in voller Höhe zu begleichen und dies zivilrechtlich auch entsprechend zu vereinbaren. Über die Leistung sollte gleichzeitig bereits zum Zeitpunkt der Leistungserbringung in voller Höhe mit Umsatzsteuer abgerechnet werden, damit dem Leistungsempfänger der volle Vorsteuerabzug ermöglicht wird. Die Zahlung des reinen Nettobetrags kann unabhängig davon als Ratenzahlung vertraglich vereinbart werden.

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