Arbeit auf Abruf – Wochenarbeitszeit bei fehlender Vereinbarung

03/08/2023

Bei der sog. Arbeit auf Abruf erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gemäß dem wechselnden Arbeitsanfall und damit auf Verlangen des Arbeitgebers flexibel eine Woche mehr Stunden, die andere weniger, die dritte Woche…. usw. Die Abrufarbeit betrifft vor allem Teilzeitkräfte; wesentliche gesetzliche Regelungen zur Arbeit auf Abruf sind demnach im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt. § 12 TzBfG in seiner seit Anfang 2019 geltenden Fassung schreibt vor, dass die arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Arbeit auf Abruf eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen muss. Fehlt in einem Abrufarbeitsverhältnis eine Vereinbarung über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, gilt nach dem TzBfG eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart.

Entscheidung Landesarbeitsgericht (LAG)

In einem vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm mit Urteil vom 29.11.2022 entschiedenen Fall stritten die Parteien über den Umfang der abzurechnenden monatlichen Arbeitsstunden der „auf Abruf“ beschäftigten Mitarbeiterin. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung enthielt keine Regelung zur Dauer der wöchentlich geschuldeten Arbeitszeit. In den Jahren 2017 bis 2019 rief der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nach Bedarf in schwankendem Umfang ab. In den Jahren 2020 und 2021 ging der zeitliche Umfang des Abrufs zurück. Mit ihrer Klage macht die Mitarbeiterin Differenzlohnansprüche geltend und behauptet, sie sei in den Jahren 2017 bis 2019 regelmäßig mit einer deutlich höheren Arbeitszeit pro Monat beschäftigt gewesen. Die durchschnittliche Arbeitszeit der Jahre 2017 bis 2019 sei aufgrund einer konkludenten Änderung der ursprünglichen Vertragsabrede Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden.

Dem folgte das LAG Hamm nicht. Es legt vielmehr die in §12 TzBfG geregelte Wochenarbeitszeit von 20 Stunden zugrunde, da die Parteien trotz Vereinbarung von Abrufarbeit die wöchentliche Arbeitszeit nicht festgelegt haben. Erweist sich der Arbeitsvertrag hinsichtlich der Wochenarbeitszeit als lückenhaft, ist diese Regelungslücke durch Rückgriff auf das dispositive Recht, d. h. § 12 TzBfG zu füllen, nicht durch ergänzende Vertragsauslegung.

Bei einem nicht gleichförmigen Abruf jedenfalls, begründet allein das tatsächliche Abrufverhalten des Arbeitgebers weder eine konkludente vertragliche Vereinbarung noch ist eine ergänzende Vertragsauslegung möglich.

Schließlich wäre die konkludente Vereinbarung einer Arbeitszeit allein durch tatsächliche Heranziehung zur Arbeit bei der hier vorliegenden Arbeit auf Abruf reine Fiktion. Die tatsächliche Arbeitsdauer lässt keinen Rückschluss auf einen entsprechenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu, sondern basiert allein auf dem Beschäftigungsbedarf des Arbeitgebers. Durch die besondere Verknüpfung der Arbeitsleistung mit dem Arbeitsanfall, unterscheidet sich die Arbeit auf Abruf von anderen Arbeitsverhältnissen, in denen das gelebte Arbeitsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens bei der Ermittlung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit zugrunde zulegen sein kann.

Da beim Abrufarbeitsverhältnis der Beschäftigungsbedarf zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses regelmäßig nicht bekannt ist, können die Parteien gar keine Regelung treffen, die mit der späteren tatsächlichen Arbeitszeit übereinstimmt.

Fazit

Das Urteil zeigt einmal mehr, dass bei Vereinbarung von Teilzeitarbeitsverhältnissen, insbesondere bei Arbeit auf Abruf, besondere Sorgfalt bei der Regelung der Dauer und Lage der Arbeitszeit anzuwenden ist. Im vorliegenden Fall bleibt es spannend wie sich das Bundesarbeitsgericht in der zugelassenen Revision zur Frage einer ergänzenden Vertragsauslegung auf Basis der bisherigen durchschnittlichen Arbeitszeit positioniert.

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