Keine automatische Verjährung von Urlaubstagen nach drei Jahren

22/02/2023

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fälle zur Vorabentscheidung vorgelegt, bei denen es u. a. um die Verjährung von Urlaubstagen ging. Die EuGH-Richter stärkten mit ihren Urteilen die Rechte von Arbeitnehmern, da Urlaubsansprüche erst dann verjähren bzw. verfallen können, nachdem der Arbeitgeber seine Beschäftigten tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen.

Arbeitgeber muss auf bestehende Ansprüche hinweisen

In einem Fall stand die deutsche Regelung auf dem Prüfstand, nach der Urlaubsansprüche automatisch nach drei Jahren verjähren und die Verjährungsfrist am Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist. Der EuGH kam zu der Entscheidung, dass die Verjährungsfrist zwar konform mit dem Unionsrecht geht, aber nicht zu laufen beginnen darf, bevor der Arbeitgeber auf die bestehenden Ansprüche auf Resturlaub und den drohenden Verfall des Urlaubs hingewiesen hat.

Das in diesem Fall den EuGH anrufende Bundesarbeitsgericht war in seiner Entscheidung vom 20.12.2022 der Rechtsauffassung des EuGH gefolgt und hat damit unter Stärkung der Arbeitnehmerrechte einen Grundsatz des urlaubsrechts ad acta gelegt.

Demnach beginnt die dreijährige Verjährungsfrist am Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachkommt, dass Arbeitnehmer Urlaubstage übrig haben, diese verfallen könnten und der Arbeitnehmer seinen Resturlaub dann trotzdem aus freien Stücken nicht genommen hat. Das bedeutet, die Verjährungsfrist beginnt nicht zwingend in dem Kalenderjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist.

Unklar ist, wie weit dieses Urteil zurückwirkt. In dem zugrundeliegenden Fall bezog sich der Urlaubsanspruch auf die Jahre 2011 bis 2017.

Fazit

Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter aktiv und regelmäßig über ihre Urlaubsansprüche, deren Verfall und Verjährung informieren. Nur so könnte der Urlaubsanspruch zum Jahresende beziehungsweise zum 31. März des Folgejahres (vgl. § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrIG)) verfallen. Versäumt der Arbeitgeber diesbezüglich seine Hinweis- und Informationspflicht, besteht die Gefahr, dass Urlaubsansprüche nicht verjähren und auch noch nach vielen Jahren von Arbeitnehmern eingefordert werden könnten – selbst wenn der betreffende Arbeitnehmer das Unternehmen bereits verlassen hat.

Diese Rechtsprechung hat außerdem Auswirkungen in den finanziellen Bereich des Arbeitgeber-Unternehmens: für Urlaubstage, die ins neue Jahr „mitgenommen“ werden, müssen Rücklagen gebildet werden und zwar nunmehr im Zweifel auch für Urlaubsansprüche, die vor mehr als 3 Jahren entstanden sind, wenn die vorstehenden Hinweispflichten zu Urlaubsnahme und Verjährung von Urlaubsansprüchen nicht ausreichend umgesetzt werden.

Resturlaub bei Arbeitsunfähigkeit

In einem anderen Fall war eine Arbeitnehmerin seit ihrer Erkrankung im Verlauf des Jahres 2017 durchgehend arbeitsunfähig. Von ihrem Urlaub für das Jahr 2017 nahm sie einen Teil nicht in Anspruch. Der Arbeitgeber hatte sie weder zur Urlaubsnahme aufgefordert, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann. Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, dass ihr der Urlaub weiterhin zusteht, da es unterlassen wurde, sie rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen. Der Arbeitgeber meinte dagegen, dass der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 spätestens mit Ablauf des 31.3.2019 erloschen war.

Nach dem Bundesurlaubsgesetz muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Damit verfällt ein Urlaubsanspruch bei Krankheit grundsätzlich 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahrs.

Die Richter des EuGH teilten diese Auffassung, räumten allerdings ein, dass dies ebenfalls nur gelten kann, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber vorher über den Urlaubsanspruch und dessen Verfall informiert wurde, damit dieser noch rechtzeitig die Möglichkeit hat, den Urlaub auch zu nehmen.

Auch in diesem Fall ist das BAG in seiner ebenfalls am 20.12.2022getroffenen Entscheidung der Rechtsauffassung des EuGH gefolgt und entschied, dass die Hinweis- und Informationspflicht des Arbeitgebers zu bestehendem Urlaubsanspruch und Verfall auch gegenüber langzeit-erkrankten Arbeitnehmern gilt.

Zu Beweiszwecken sollten Arbeitgeber diesbezüglich Hinweis und Information in Schriftform übermitteln und sich gegebenenfalls sogar von ihren Arbeitnehmern bestätigen lassen.

Davon unabhängig dürfen Arbeits- oder Tarifvertragsparteien die den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch übersteigenden Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche frei regeln. Eine tarifliche Übertragung des Urlaubs auf das erste Quartal des Folgejahres kann z. B. ohne das Vorliegen besonderer Gründe festgelegt werden. Genauso kann auch der Verfall von Resturlaub mit einer ausdrücklichen Regelung vereinbart werden.

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