Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern

15/12/2021

Jerina Kelava (Jerina.Kelava@rtg-auren.de), Bachelor of Science. Mitglied des Auren-Teams VAT Experts – unsere Experten für Umsatzsteuer national und international

Anlässlich der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 08.07.2021 konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen ein Mitglied eines Aufsichtsrats als umsatzsteuerlicher Unternehmer einzustufen ist.

Hintergrund

Umsatzsteuerlicher Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Bislang wurde die als Aufsichtsratsmitglied gegen Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung ausgeübte Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit eines Unternehmers angesehen, ohne dabei nach der weiteren Ausgestaltung oder den Begleitumständen dieser Tätigkeit zu unterscheiden.

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung haben der EuGH (mit Urteil vom 13.06.2019, C-420/1) und der BFH (mit Urteil vom 27.11.2019, V R 23/19) entschieden, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht als Unternehmer tätig ist, wenn es aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt.

Das BMF hat die Urteilsgrundsätze mit Schreiben vom 08.07.2021 durch Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses in Abschnitt 2.2 umgesetzt.

Änderung

Abweichend von der bisherigen Auffassung bestimmt das BMF nunmehr, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht selbstständig tätig und damit kein Unternehmer ist, wenn es kein Vergütungsrisiko trägt. Dies betrifft die Fälle, in denen die Tätigkeit des Aufsichtsrats mit einer Festvergütung, wie beispielsweise einer pauschalen Aufwandsentschädigung für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat, abgegolten wird. Sitzungsgelder, die ein Aufsichtsratsmitglied für die Teilnahme an einer Sitzung erhält, sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen sind hingegen nicht als Festvergütungen einzustufen.

Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, soll die Selbstständigkeit und damit Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds grundsätzlich dann erfüllt sein, wenn die variablen Vergütungsbestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 % der gesamten Vergütung (einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen) betragen. Reisekostenerstattungen sind bei der Ermittlung der 10 %-Grenze nicht zu berücksichtigen.

Für jedes Mandat eines Aufsichtsrates sind die vorstehend aufgeführten Grundsätze separat zu prüfen.

In bestimmten Fällen beanstandet es das BMF jedoch nicht, wenn trotz Erfüllung eines Vergütungsrisikos die Selbstständigkeit und somit Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds nicht angenommen wird. Diese Nichtbeanstandungsregel betrifft solche Fälle, in denen Beamte und andere Bedienstete einer Gebietskörperschaft, auf Veranlassung ihres Arbeitgebers/Dienstherren die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied übernommen haben und nach beamten- oder dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet sind, die Vergütung bis auf einen festgelegten Betrag an den Arbeitgeber/Dienstherren abzuführen. Dasselbe soll auch für Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung gelten, soweit sie im Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zur Regierung einem Aufsichtsrat angehören und einer zumindest teilweisen öffentlich-rechtlichen Abführungspflicht unterliegen.

Die Kriterien zur Prüfung des Vorliegens einer etwaigen Unternehmereigenschaft gelten ebenfalls für Mitglieder von Ausschüssen, die der Aufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 AktG bestellt hat und für Mitglieder von anderen Gremien, die der Kontrolle der Geschäftsführung dienen.

Folgendes Schema verdeutlicht die Neuerungen:

Anmerkung

Die Neuregelung ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten wird es für alle bis zum 31.12.2021 ausgeführten Leistungen jedoch nicht beanstandet, wenn die bisher geltenden Regelungen (Selbstständigkeit und damit Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds auch ohne Vergütungsrisiko) angewendet werden. Auf Seiten des Leistungsempfängers besteht insoweit kein Vorsteuerabzugsrisiko.

Die bestehenden Vergütungsvereinbarungen mit Aufsichtsratsmitgliedern sind zu überprüfen und im Hinblick auf das Jahr 2022 gegebenenfalls anzupassen. Soweit unter Berücksichtigung der neuen Grundsätze kein Vergütungsrisiko des Aufsichtsratsmitglieds angenommen werden kann, handelt es sich bei dem Aufsichtsratsmitglied mangels „Selbstständigkeit“ im umsatzsteuerlichen Sinne nicht um einen Unternehmer, unabhängig davon, dass die Aufsichtsratstätigkeit in ertragsteuerlicher Sicht als selbstständige Tätigkeit zu werten ist. Die Rechnungstellung für erbrachte Leistungen von nicht unternehmerisch tätigen Aufsichtsräten erfolgt spätestens ab dem Jahr 2022 daher ohne Ausweis von Umsatzsteuer.

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