Kündigung Arbeitszeitbetrug

Fristlose Kündigung bei Arbeitszeitbetrug

15/04/2024

In der letzten Zeit war vor allem die Arbeitszeiterfassung ein brisantes Thema im Bereich des Arbeitsrechts. Beim Thema Arbeitszeiterfassung ist eines klar: Arbeitgeber müssen darauf vertrauen können, dass Mitarbeitende ihre Arbeitszeit korrekt dokumentieren – gerade, wenn sie den Beschäftigten den Nachweis über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit übertragen.

Der Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht Hamm

In dem vom Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) am 27.01.2023 entschiedenen Fall war eine fristlose Kündigung streitig, bei der die korrekte Arbeitszeiterfassung ebenfalls eine wesentliche Rolle spielte.

Die klagende Arbeitnehmerin war bei der beklagten Arbeitgeberin seit über 8 Jahren als Raumpflegerin beschäftigt. Zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter hatte die Beklagte ein elektronisches Arbeitszeiterfassungssystem in ihrem Betrieb eingerichtet. Die Mitarbeiter waren hierbei angewiesen, sich jeweils zu Beginn bzw. zum Ende ihrer Arbeitszeit entsprechend ein- und auszutragen. Genommene Pausenzeiten sollten ebenfalls entsprechend durch Ein- und Austragung festgehalten werden. Unzutreffend erfasste oder vergessene Arbeitszeiten konnten im Nachgang korrigiert werden.

An einem Arbeitstag im Oktober 2021 hatte sich die Klägerin zu Beginn ihrer Arbeitszeit ordnungsgemäß im Betrieb eingestempelt. Kurz darauf erklärte sie gegenüber anderen Mitarbeitern, dass sie in den Keller gehen würde, verließ den Betrieb stattdessen, um in einem nahegelegenen Café für mindestens 10 Minuten einen Kaffee zu trinken. Das Problem: die Klägerin stempelte sich zu Beginn dieser Pause nicht bei der elektronischen Zeiterfassung aus.

Der Chef beobachtete dieses Geschehen aus seinem Auto heraus und sprach sie später auf ihr Verhalten an. Zunächst leugnete die Klägerin den Café-Besuch und beteuerte, im Keller gewesen zu sein; dies auch noch, nachdem der Chef der beklagten Arbeitgeberin erklärte, sie persönlich beim Café-Besuch beobachtet zu haben. Erst nachdem der Chef der Beklagten ankündigte, der Klägerin Beweisfotos auf seinem Mobiltelefon zeigen zu wollen, gab diese die nicht in die Zeiterfassung eingetragene Pause und somit ihr Fehlverhalten zu.

Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos aus wichtigem Grund. Gegen diese fristlose Kündigung wehrte sich die Klägerin mit der von ihr erhobenen Kündigungsschutzklage und der Begründung, dass die Kündigung unter Berücksichtigung der nicht so gewichtigen Pflichtverletzung (kurze Dauer der Kaffeepause, lediglich Vergessen der Zeiterfassung) gegenüber dem über 8 Jahre andauernden störungsfreien Arbeitsverhältnis unverhältnismäßig sei. Zumindest hätte die Beklagte lediglich eine Abmahnung aussprechen müssen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts: Bedeutung und Konsequenzen

Das LAG sah die fristlose Kündigung – wie auch bereits die Vorinstanz – als gerechtfertigt und daher wirksam an.

Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und missbraucht der Arbeitnehmer wissentlich und vorsätzlich das dafür bereitgestellte Arbeitszeiterfassungssystem, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar.

Die Klägerin hat ihr Vergehen eingeräumt. Sie beruft sich insoweit ohne Erfolg darauf, dass sie „nur kurz“ Kaffee trinken gewesen sei und dass es sich nur um ein einmaliges Vergehen gehandelt habe. Denn entscheidend sind weder die Dauer des Arbeitszeitbetruges noch die Häufigkeit. Ein wichtiger Grund gemäß. § 626 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich auch vorliegen, wenn es sich nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, der nur zu einem geringen wirtschaftlichen Schaden führte. Denn entscheidend ist der sich mit dem Vorgehen verbundene Vertrauensverlust. Die Tatsache, dass die Klägerin gegenüber ihrem Chef gelogen und den Betrug zunächst verleugnet und vertuscht und damit einen irreparablen Vertrauensverlust herbeigeführt hatte, war hier für das Urteil von besonderer Bedeutung. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung hielt das LAG eine Abmahnung für entbehrlich und auch eine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist für unzumutbar.

Fazit

Das Urteil zeigt, dass ein Verstoß gegen die Arbeitszeiterfassung durchaus eine Gefahr für das Arbeitsverhältnis darstellen kann. Zwar wird man grundsätzlich davon ausgehen können, dass bei tatsächlichem, schlichtem Vergessen der Ein- und Austragung von Pausen eine Abmahnung vorrangig sein dürfte. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann dabei jedoch auch das Nachtatverhalten eine gewichtige Rolle spielen. Der Klägerin fiel vorliegend der Versuch auf die eigenen Füße, die Kaffeepause gegenüber ihrem Arbeitgeber zu leugnen. Durch das Abstreiten ihres Fehlverhaltens verschenkte die Klägerin jegliches Vertrauen, welches sie sich über die vergangenen acht Jahre aufgebaut hatte – und machte somit auch eine Abmahnung für ihr Fehlverhalten entbehrlich.

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