Eine Änderung des Umsatzsteuersatzes bei langfristiger Fertigung bedeutet für die Unternehmen besondere Sorgfalt bei der Kalkulation und Formulierung von Verträgen, aber auch bei der Fakturierung von Anzahlungen und Schlussrechnung. Die wesentlichen Punkte haben wir für Sie zusammengefasst.
Die Umsatzsteuer entsteht grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Lieferung/Leistung ausgeführt worden ist. Dies gilt auch für vereinbarte Teilleistungen (z. B. bei langfristiger Fertigung wie der Erstellung eines Gebäudes). Eine Teilleistung i. S. d. Umsatzsteuergesetzes (UStG) liegt vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt (Teilentgelt) gesondert vereinbart wurde.
Erbringt ein Unternehmer eine Lieferung (Werklieferung) oder sonstige Leistung in Teilen, die die Voraussetzungen einer Teilleistung erfüllen, so entsteht die Umsatzsteuer für die jeweilige Teilleistung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Teillieferung oder Teilleistung ausgeführt wurde.
Nach Verwaltungsauffassung liegen gesondert abrechenbare Teilleistungen vor, wenn eine Leistung nach wirtschaftlicher Betrachtung überhaupt teilbar ist und dass sie nicht als Ganzes, sondern in Teilen geschuldet und bewirkt wird und wenn nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise die vereinbarte Teilleistung für den Auftraggeber auch dann ihren Wert behalten würde, wenn die ursprünglich gewollte Gesamtleistung nicht ausgeführt würde.
Ob eine Mehrheit von Leistungen, die einem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel dienen, als eine einheitliche Leistung oder als ein Bündel selbstständiger Einzel(-Teil-)leistungen zu besteuern ist, ist nach den allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Das Vorliegen einer gesondert abrechenbaren Teilleistung ist an folgende vier Voraussetzungen geknüpft:
Die Vereinbarung von Vorschüssen, Abschlagszahlungen oder Teilzahlungs- bzw. Ratenvereinbarungen führt nicht zu getrennt abrechenbaren Teilleistungen.
Ein Bauunternehmer hat sich verpflichtet, zu Einheitspreisen die Maurer- und Betonarbeiten sowie den Innen- und Außenputz an einem Bauwerk auszuführen. Die Maurer- und Betonarbeiten werden gesondert abgenommen und gesondert abgerechnet. Der Innen- und Außenputz werden später ausgeführt, gesondert abgenommen und gesondert abgerechnet. Wird die Teilleistung „Maurer- und Betonarbeiten“ bis zum 30. Juni 2020 erbracht, abgenommen und abgerechnet, ist der Umsatzsteuersatz von 19 % anzuwenden und für die danach erbrachte Teilleistung „Innen- und Außenputz“ der Umsatzsteuersatz von 16 %, sofern Fertigstellung und Abnahme vor dem 31. Dezember 2020 erfolgen.
Die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 12.Oktober 2009) hat zum Grundsatz der wirtschaftlichen Teilbarkeit folgende Abgrenzungskriterien bzw. Teilungsmaßstäbe veröffentlicht:
Art der Bauleistung
Die Vereinbarung von Abschlagszahlungen oder Teilzahlungs- bzw. Ratenvereinbarungen führt nicht zu getrennt abrechenbaren Teilleistungen.
Im Fall von Anzahlungen entsteht die Umsatzsteuer im Zeitpunkt des Geldeingangs (Istversteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG). Danach sind Anzahlungen, die bis 30.06.2020 und ab 01.01.2021 vereinnahmt werden, mit dem Steuersatz von 19 % zu versteuern. Anzahlungen, die nach dem 30.06.2020, aber vor dem 01.01.2021 vereinnahmt werden, sind mit dem Steuersatz von 16 % zu unterwerfen.
Bei Werklieferungen (z. B. Errichtung eines Gebäude) ist die Leistung ausgeführt, wenn dem Auftraggeber (Bauherrn) die Verfügungsmacht an dem erstellten Werk verschafft worden ist. Das ist dann der Fall, wenn der Auftraggeber befähigt ist, im eigenen Namen über das auftragsgemäß fertiggestellte Werk zu verfügen. Die Verfügungsmacht wird bei Werklie-ferungen grundsätzlich mit der Übergabe und Abnahme des fertigen Werks verschafft.
Bei Übergabe und Abnahme des erstellten Werkes nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2021 ist daher auf den Gesamtpreis der Umsatzsteuersatz von 16 % anzuwenden. Eine Berichtigung oder Rechnungskorrektur der mit 19 % Umsatzsteuer gestellten Rechnungen über Abschlagszahlungen ist nicht erforderlich. Diese werden in der Schlussrechnung in der vereinnahmten Höhe abgezogen.
Bei früheren Steuersatzänderungen hat die Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Steuersatzänderung – das wäre jetzt der 1. Juli 2020 – eine bisher fehlende Vereinbarung über die Abrechnung von Teilleistungen nachgeholt wurde. Ob die Finanzverwaltung diese Vorgehensweise auch in 2020 akzeptiert, ist offen. Wenn Sie diesen Weg dennoch gehen wollen, treffen Sie bitte die Vereinbarung über die separate Abnahme und Abrechnung von definierten Teilleistungen bis zum 30. Juni 2020.
Stand: 8. Juni 2020
Autoren: Michael Schulz, Marion Trieß, beide Auren Stuttgart/Rottenburg
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